22. Mai 2023
Der Faschismus ist keine Epoche, die 1945 mit dem Zweiten Weltkrieg ihr Ende fand. Vielmehr bezeichnet er eine Bewegung, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten von verwandten Vorstellungen angetrieben wurde. Als Hitler 1923 auf die Münchner Feldherrnhalle marschierte, war Mussolinis Marsch auf Rom sein Vorbild. Wenige Wochen zuvor hatte ein faschistisch inspirierter Staatsstreich in Spanien die parlamentarische Regierung gestürzt und Miguel Primo de Rivera an die Macht gebracht. Kurz darauf entstanden erste faschistische Parteien in Frankreich. Das Instituto Cervantes, das Institut français, das Istituto italiano di cultura, das Goethe-Institut und das Hamburger Institut für Sozialforschung nehmen das Krisenjahr 1923 vor einhundert Jahren zum Anlass, die faschistischen Bewegungen in Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich in den Blick zu nehmen. Die Veranstaltungen machen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im europäischen Faschismus der Zwischenkriegszeit sichtbar und ermöglichen einen vergleichenden Blick auf die Gefährdung der Demokratie durch rechtspopulistische Strömungen in der Gegenwart.
Referentin: Dr. Anna Catharina Hofmann (Universität Halle). Moderation: Dr. Philipp Müller (Hamburger Institut für Sozialforschung)
Auf dem Weg in eine autoritäre Moderne:
Die Militärdiktatur von Miguel Primo de Rivera in europäischer Perspektive
Am Morgen des 15. September 1923 kam Miguel Primo de Rivera, Generalkapitän von Katalonien, mit dem Expresszug in Madrid an. Auf dem Bahnhof wurde er von einer Menschenmenge empfangen, die ihn als „Erlöser des Vaterlandes“ begrüßte und „Nieder mit den Politikern!“ skandierte. Nach einem Gespräch mit König Alfons XIII. wurde das Parlament aufgelöst und ein Militärdirektorium eingesetzt. „Wir sind hier“, so erklärte der Diktator den Journalisten, „um entsprechend dem Wunsch des spanischen Volkes einen radikalen Wandel herbeizuführen und die alte spanische Politik auszurotten.“ Die sich an diesen Putsch anschließende Militärdiktatur in Spanien fällt in die sogenannte erste Welle der Diktaturerrichtung im Europa der Zwischenkriegszeit. Ein Jahr zuvor war Mussolini in Italien an die Macht gekommen; in Ungarn herrschte bereits seit 1921 eine Militärdiktatur, und in Deutschland sollte der Hitlerputsch im November 1923 die krisengeschüttelte Republik erschüttern. In diesem Vortrag steht die Militärdiktatur Primo de Riveras in Spanien im Mittelpunkt. In einer vergleichend europäischen Perspektive soll gezeigt werden, wie die Sehnsucht nach einer „autoritären Moderne“ die Stabilität der parlamentarischen Demokratie untergrub und Europa der Diktatur preisgab.
Reihe: | Europawochen 2023 |
Datum: | 22.05.2023 |
Beginn: | 19:00 |
Ort: |
Instituto Cervantes Hamburg
Fischertwiete 1 20095 Hamburg |