Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 16. Oktober 2025 (Rs. C-218/24) entschieden, dass Haustiere, die im Rahmen einer Flugreise befördert werden, rechtlich als „Reise-gepäck“ im Sinne des Montrealer Übereinkommens einzustufen sind. Damit unter-liegen sie denselben Haftungsbeschränkungen wie andere Gepäck-stücke. Eine Entschädigung über die gesetzliche Haftungsober-grenze hinaus ist nur möglich, wenn der Fluggast vor Reiseantritt ein besonderes Interesse an der Auslieferung erklärt und eine zusätzliche Gebühr entrichtet hat.
Ausgangspunkt des Verfahrens war der Hund einer Passagierin im Jahr 2019 während eines Fluges von Buenos Aires nach Barcelona verloren ging. Die Klägerin forderte von der Fluggesellschaft Iberia Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro, wobei sie sich auf den immateriellen Verlust durch den Verlust ihres Tieres berief. Iberia hingegen verwies auf die Haftungsobergrenze gemäß Art. 22 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens von etwa 1.600 Euro. Ein spanisches Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob Tiere überhaupt unter den Begriff „Reisegepäck“ im Sinne des Übereinkommens fallen können, da sie nach Art. 13 AEUV als empfindungsfähige Lebewesen besonderen Schutz genießen.
Der EuGH stellte klar, dass das Montrealer Übereinkommen, das in der EU durch die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 umgesetzt wurde, ein geschlossenes Haftungssystem vorsieht. Nach seiner Systematik unterscheidet es zwischen Personen, Reisegepäck und Gütern. Tiere, die weder als Reisende noch als Fracht im engeren Sinne einzustufen sind, fallen daher zwingend unter den Begriff des „Reisegepäcks“. Diese Auslegung dient dem Ziel des Überein-kommens, einheitliche und vorhersehbare Haftungsregelungen im internationalen Luftverkehr sicherzustellen.
In Bezug auf den unionsrechtlichen Tierschutzgrundsatz gemäß Art. 13 AEUV führte der Gerichtshof aus, dass dieser zwar das Wohlergehen der Tiere als politisches Ziel verankert, jedoch keine unmittelbare zivilrechtliche Ausnahme von den Haftungsregelungen des Montrealer Übereinkommens begründet. Der besondere rechtliche Status von Tieren als empfindungsfähige Lebewesen ändere nichts an ihrer Behandlung im Rahmen des internationalen Beförderungsrechts.
Damit bestätigte der Gerichtshof, dass Fluggesellschaften für den Verlust oder die Beschädigung eines Tieres grundsätzlich nur bis zur Haftungsgrenze des Übereinkommens haften. Eine weiter-gehende Entschädigung kommt nur in Betracht, wenn der Fluggast vor Reiseantritt ein besonderes Interesse an der Beförderung erklärt und eine entsprechende Zusatzgebühr bezahlt.
Das Urteil des EuGH rückt die konsequente Anwendung des internationalen Luftbeförderungsrechts in den Vordergrund und stärkt die Rechtssicherheit für Fluggesellschaften, indem es Haftungsfragen im Zusammenhang mit Tiertransporten klar abgrenzt. Zugleich zeigt die Entscheidung die Grenzen des unionsrechtlichen Tierschutzes auf: Zwar verpflichtet Art. 13 AEUV die EU und ihre Mitgliedstaaten, dem Wohlergehen der Tiere Rechnung zu tragen, doch reicht diese Verpflichtung nicht aus, um bestehende völkerrechtliche Haftungsregime zu durchbrechen. Gesellschaftlich ist das Urteil bemerkenswert, da es ein Span-nungsfeld zwischen rechtlicher Systematik und emotionaler Wertschätzung von Haustieren offenlegt. Während der EuGH an der einheitlichen Haftungslogik des Montrealer Übereinkommens festhält, dürfte die Diskussion um eine angemessenere Berück-sichtigung des immateriellen Schadens bei Verlust eines Tieres im Luftverkehr künftig an Intensität gewinnen.