Société Européenne Simplifiée (SES)

Ein neuer Anlauf zur Etablierung einer vereinfachten Gesellschaft auf Unionsebene

22.12.2022

Die Société Européenne Simplifiée (SES, deutsch Vereinfachte Europäische Gesellschaft) ist ein Vorschlag, um mit einer neuen Gesellschaftsform auf Unionsebene dem Bedarf kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) gerecht zu werden. Die Gesellschaft soll zunächst bilateral, zwischen Deutschland und Frankreich, und dann in der gesamten Europäischen Union etabliert werden. Zwei ähnliche Vorhaben scheiterten bereits.

I. Einführung

Auf Unionsebene existieren derzeit drei Gesellschaftsformen:

·       die Societas Europaea (SE, deutsch Europäische Gesellschaft),

·       die Societas Cooperativa Europaea (SCE, deutsch Europäische Genossenschaft) und

·       die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV).

Die SE ist nur auf große Unternehmen zugeschnitten. Die SCE eignet sich aufgrund der genossenschaftsrechtlichen Besonderheiten sowie der komplexen Regelungen nur sehr eingeschränkt für KMU. Die EWIV passt wegen ihrer begrenzten Zweckrichtung nicht. Keine dieser Gesellschaften entspricht also dem Bedarf der KMU, obwohl diese den größten Teil des Wirtschaftsgefüges der EU ausmachen. Diese Lücke soll nun die SES schließen.

 

II. Vorgängerprojekte

Bereits in den vergangenen Jahren wurden zwei Anläufe unternommen, um eine europäische Gesellschaft für KMU zu schaffen.

1. Societas Privata Europaea

Das Projekt der Societas Privata Europaea (SPE, deutsch Europäische Privatgesellschaft) wurde 2009 initiiert. Die SPE war die geplante Rechtsform einer europäischen Kapitalgesellschaft für KMU. Mit ihr sollte es möglich sein, kleinere Unternehmen nach weitgehend einheitlichen Rechtsprinzipien innerhalb der EU zu gründen. Trotz Zustimmung der Wirtschaft scheiterte das Projekt am Widerstand der EU-Mitgliedstaaten und wurde durch die EU-Kommission 2013 aufgegeben.

2. Societas Unius Personae

Anschließend wurde das Projekt der Societas Unius Personae (SUP, deutsch Europäische Einpersonengesellschaft) in die Wege geleitet. Die SUP sollte in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum eingesetzt werden. Es handelte sich dabei um eine Gesellschaft mit einem einzigen Gesellschafter. Die Haftung sollte, wie bei einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden. Mit dieser Rechtsform wollte die EU die Gründung von europaweit agierenden, kostengünstigen, voll rechtsfähigen und handlungsfähigen Einpersonengesellschaften mit einem Mindeststammkapital von nur einem Euro und nach weitgehend einheitlichem Rechtsprinzipien ermöglichen und fördern. Die EU-Kommission hat jedoch auch diesen Vorschlag 2018 zurückgezogen. Nach mehrjährigen Verhandlungen mit dem Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments war klar, dass für die Etablierung dieser Gesellschaftsform keine Mehrheit zustande kommen würde.

 

III. Das aktuelle Projekt

Die Vereinigung Henri Capitant hat der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) 2020 nunmehr die SES vorgeschlagen. Der Vorschlag ist ein Teil des in Frankreich erarbeiteten Entwurfs für ein Europäisches Wirtschaftsgesetzbuch. Nach den zuvor gescheiterten Projekten, ist dies bereits der dritte Anlauf zur Etablierung einer vereinfachten Gesellschaft. Sie soll dem Bedarf von KMU gerecht werden.

 

Information

·       Den vorgelegten Regelungsentwurf können Sie hier (http://henricapitant.de/content/wb/media/Ceda/TexteDe/Avant-projet_Gesellschaftsrecht_DE_FR.pdf) abrufen.

 

Am 28. Juni 2021 fasste die DFPV mit breiter Mehrheit einen Beschluss, der zunächst die Einführung einer Vereinfachten Deutsch-Französischen Gesellschaft grundsätzlich befürwortet. Hierin wurden die Regierungen Deutschlands und Frankreichs aufgefordert, die Arbeiten an diesem Projekt voranzutreiben.

 

Information

·       Den Beschluss der DFPV können Sie hier (https://www.bundestag.de/resource/blob/866572/795ac719d0c6f5831f1e05a7302b6377/2021_4_hwir-data.pdf) abrufen.

 

Dem Regelungsentwurf zur SES (im Folgenden SES-E) können bereits die charakteristischen Merkmale der Gesellschaftsform entnommen werden.

1. Die verfolgten Ziele

Die Zielsetzungen des Regelungsentwurfs zur SES (im Folgenden SES-E) entsprechen im Wesentlichen denjenigen des damaligen Regelungsvorschlags zur SPE. Die SES soll eine einfache, attraktive und leicht zugängliche Gesellschaftsform für KMU in der Europäischen Union sein.

Die SES soll eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung sein, die erheblich leichter zu gründen ist als eine SE und nur ein Mindestkapital von 12.000 Euro erfordert. Sie soll auch europäisch sein. Rechtlich soll sich die SES daher auf ein Statut eigenständiger europäischer Vorschriften stützen und lediglich subsidiär durch das nationale Gesellschaftsrecht im Gründungsstaat ergänzt werden. Wirtschaftlich soll sie mittels einer in allen Mitgliedstaaten der Union zugänglichen Rechtsform der weiteren Integration im Binnenmarkt dienen. Die SES soll weiterhin vereinfacht sein. Das vorgesehene Statut für die SES soll nur wenige zwingende Regelungen enthalten und dem Gründer weitestgehend Gestaltungsfreiheit gewähren.

2. Grundsätzliches

Nach Art. 1.1.1. Abs. 1 SES-E ist die SES eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, also eine juristische Person. Sie kann von einer oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen gegründet werden. Die Rechtsfähigkeit erwirbt die SES am Tag ihrer Eintragung im Gründungsland.  Diese Rechtsfähigkeit wird von den anderen Unionsstaaten anerkannt (Art. 1.1.1. Abs. 5 SES-E). Die Haftung der Gesellschafter beschränkt sich auf die Höhe ihrer Einlagen (Art. 1.1.1. Abs. 3 SES-E). Die SES verfügt über ein Stammkapital, das in Geschäftsanteile unterteilt ist (Art. 1.1.1. Abs. 2 SES-E). Nach deutschem Rechtsverständnis handelt es sich bei der SES insofern um eine Kapitalgesellschaft. Ihre Geschäftsanteile sind nicht börsenfähig (Art. 1.1.1. Abs. 4 SES-E). Die SES hat somit keinen Zugang zur Eigenkapitalfinanzierung über den Kapitalmarkt.

Dem Ziel der Einheitlichkeit folgend strebt der SES-E, wie auch schon die Entwürfe zur SPE, eine möglichst umfassende Regelung an, die Verweisungen auf nationales Recht weitestgehend vermeidet. Die Rechtsverhältnisse der SES sollen sich demgemäß in erster Linie nach dem SES-E und der Satzung bestimmen (Art. 1.1.2. Abs. 1 SES-E). Soweit sie mit dem SES-E vereinbar sind, finden ergänzend die nationalen Regelungen des Eintragungsstaates für die jeweilige Referenzrechtsform Anwendung (Art. 1.1.2. Abs. 2 SES-E). In Deutschland würde demnach das GmbHG angewendet werden. Für andere als die im Entwurf behandelten Rechtsfragen ist die Anwendung zwingender nationaler Regelungen zugelassen, die am Verwaltungssitz der Gesellschaft gelten. Dazu zählen etwa die Bereiche der Arbeitnehmermitbestimmung im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan der Gesellschaft, des Strafrechts, des Arbeits- und Sozialrechts sowie des Steuerrechts (Art. 1.1.2 Abs. 3 SES-E). Die Beteiligung der Arbeitnehmer war bereits bei der SPE und der SUP ein äußerst umstrittener Punkt. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass es diesbezüglich auch bei der SES zu Unstimmigkeiten kommen wird.

3. Gründung

Für die SES sieht der Entwurf vier unterschiedliche Gründungsmöglichkeiten vor. Die SES kann demnach durch Neugründung sowie durch Formwechsel, Verschmelzung oder Spaltung bestehender Gesellschaften innerstaatlich oder grenzüberschreitend gegründet werden (Art. 2.1.1. SES-E). Ein grenzüberschreitender Bezug ist, im Gegensatz zu Art. 2 SE-VO und dem letzten Verordnungsentwurf der SPE, nicht erforderlich.

Hinsichtlich der Satzungsregelungen bestimmt der Entwurf den Mindestinhalt und sieht vor, dass Mustersatzungen für eine Einpersonen-SES bereitzuhalten sind, die der Alleingesellschafter ausdrücklich und ohne Abänderungen annehmen kann (Art. 2.1.2. Abs. 1 – 2 SES-E). Die Fragen der Form und der Offenlegung der Satzung bestimmen sich nach dem Recht des Eintragungsstaates (Art. 2.1.2. Abs. 3 SES-E). Dementsprechend bedürfte die Satzung einer in Deutschland eingetragenen SES der notariellen Beurkundung, im Gegensatz zu einer in Frankreich eingetragenen SES.

Der Entwurf setzt ein Mindeststammkapital in Höhe von 12.000 Euro fest (Art. 2.1.3. Abs. 1 SES-E). Bei der SE muss das Kapital demgegenüber mindestens 120.000 Euro betragen (Art. 4 Abs. 2 SE-VO). Das Kapital war auch bei der geplanten SPE ein umstrittener Punkt. Im letzten Vorschlag zur SPE war ein Mindestkapital von einem Euro vorgesehen. Den Mitgliedstaaten wurde jedoch das Recht eingeräumt, ein Mindestkapital bis zu 8.000 Euro für SPE mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet festzulegen. Auch diese Regelung stieß auf Widerstand.

Der Entwurf enthält auch Regelungen zur Kapitalaufbringung. Bei einer Bareinlage muss ein Viertel bei der Gründung eingezahlt werden, der Restbetrag innerhalb von fünf Jahren (Art. 2.1.3. Abs. 3 SES-E). Sacheinlagen sind gleich zu erbringen und die Einleger haften während eines Zeitraums von 5 Jahren in Höhe ihrer Einlage für Verbindlichkeiten der SES (Art. 2.1.3. Abs. 7 SES-E). Dienstleistungen sind nicht einlagefähig (Art. 2.1.3. Abs. 2 SES-E).

Der SES-E erlaubt ferner eine Sitzaufspaltung. Dieser Punkt sorgte bei der SPE und SUP für heftige Kontroversen. Der eingetragene und der effektive Verwaltungssitz der SES muss sich demnach in der Europäischen Union, nicht aber in demselben Mitgliedstaat befinden (Art. 2.1.5. Abs. 1 – 2 SES-E). Eine derartige Sitzaufspaltung ist bei der SE (Art. 7 SE-VO) und der SEC (Art. 6 SEC-VO) nicht zulässig. Mitgliedstaaten können jedoch verlangen, dass sich Verwaltungs- und Satzungssitz im Staat der Eintragung befinden, wenn sie dies für die nationale Referenzrechtsform vorschreiben. Eine Sitzspaltung müssten sie dennoch hinnehmen, wenn sich bloß der Verwaltungssitz im Inland befindet, der satzungsmäßige Sitz jedoch in einem Mitgliedstaat ist, der eine Sitzspaltung zulässt.

Das nationale Recht soll das zuständige Register, das Eintragungsverfahren und das Verfahren zur Kontrolle der Eintragungsvoraussetzungen regeln (Art. 2.1.6. Abs. 2 – 4 SES-E). Der Entwurf bestimmt lediglich die Mindestangaben, die der Gründer für die Eintragung machen muss (Art. 2.1.6. Abs. 5 SES-E) Die Gesellschaft erwirbt ihre Rechtspersönlichkeit mit Eintragung in das nationale Register (Art. 2.1.6. Abs. 8 SES-E). Nach deutschem Recht wäre dies die Eintragung in das Handelsregister.

4. Organisation

Nach Art. 3.1.1. Abs. 1 SES-E kann die Satzung frei über die innere Organisation bestimmen, soweit die Mindestvoraussetzungen eingehalten werden und zwingende Vorschriften nicht entgegenstehen. Die Rechtsform bietet dadurch Gestaltungsfreiheit.

Die SES muss zumindest einen Geschäftsführer haben, der die Gesellschaft gegenüber Dritten vertritt (Art. 3.1.2. Abs. 1 SES-E). Die gesetzliche Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist nicht auf den Unternehmensgegenstand beschränkt. Dies gilt aber nicht, wenn der Geschäftspartner die Überschreitung der internen Befugnisse durch den Geschäftsführer kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Art. 3.1.2. Abs. 3 SES-E). Die Gesellschafterversammlung kann dem Geschäftsführer verbindliche Weisungen erteilen (Art. 3.1.2. Abs. 4 SES-E). Grundsätzlich kann jede natürliche oder juristische Person, unabhängig von der Gesellschaftereigenschaft, Geschäftsführer werden (Art. 3.1.4. Abs. 1 SES-E). Eine juristische Person muss allerdings eine natürliche Person benennen, die ihre Befugnisse wahrnimmt und denselben Verpflichtungen und derselben Haftung unterliegt (Art. 3.1.4. Abs. 2 S.1 SES-E). Die Bestellung des Geschäftsführers erfolgt durch Beschluss mit einfacher Mehrheit auf unbestimmte Zeit. Unter denselben Voraussetzungen kann sie beendet werden (Art. 3.1.4. Abs. 3 SES-E). Der Entwurf enthält in Art. 3.1.5. SES-E außerdem Regelungen im für die Pflichten und – zumindest grundlegend – die Haftung für Pflichtverletzungen des Geschäftsführers. Über die Bestimmungen zur Haftung hinaus findet das nationale Recht Anwendung (Art. 3.1.5. Abs. 5 SES-E). Gesonderte Regelungen sind auch für die Pflichten der Geschäftsführer bei einer SES im Konzern enthalten (Art. 3.1.6. SES-E).

Der Entwurf weist der Gesellschafterversammlung eine Reihe wichtiger Kompetenzen zu (Art. 3.1.7. Abs. 1 S. 1 SES-E). Diese Zuständigkeiten sind zwingend. Sie können durch die Satzung erweitert, nicht aber eingeschränkt werden (Art. 3.1.7. Abs. 1 S. 2 SES-E). Grundsätzlich werden Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst (Art. 3.1.7. Abs. 2 SES-E). Für Satzungsänderungen und Umwandlungen sind qualifizierte Mehrheiten vorgesehen, die sich aus der Satzung ergeben oder nach nationalem Recht für die Referenzrechtsform gelten. (Art. 3.1.7. Abs. 3 SES-E). Für die Satzungsänderung einer deutschen GmbH ist nach § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG grundsätzlich eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich, was dann auch für die SES gelten würde. Eine in Deutschland vorgesehene notarielle Beurkundung des Beschlusses wäre demgegenüber nicht erforderlich. Hinsichtlich der Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen wird auf das anwendbare nationale Recht verwiesen. (Art. 3.1.7. Abs. 4 SES-E)

Im Hinblick auf die Rechtsstellung der Gesellschafter sieht der Entwurf größtenteils Gestaltungsfreiheit vor. Ein wichtiges Recht der Gesellschafter ist ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung. Zwingend vorgesehen ist außerdem ein Recht auf Information, das insbesondere auf die Vorbereitung der Gesellschafterversammlung gerichtet ist, sowie ein Fragerecht in der Gesellschaftsversammlung (Art. 3.1.9. Abs. 1 – 2 SES-E). Weiterhin stehen Minderheiten bestimmte Rechte in der Gesellschafterversammlung zu (Art. 3.1.8. Abs. 2 SES-E). Vorgesehen sind ferner Regelungen zum Austrittsrecht der Gesellschafter bei Vorliegen bestimmter Gründe (Art. 3.1.15. Abs. 2 – 4 SES-E). Der Geschäftsführer erstellt und führt eine Liste der Gesellschafter, die für die Gesellschafterstellung im Innenverhältnis und bis zum Beweis des Gegenteils maßgeblich ist (Art. 3.1.13. SES-E). Die Gesellschafter können ihre Rechte nur wahrnehmen, wenn sie in diese Gesellschafterliste aufgenommen wurden.

Die Übertragung von Anteilen richtet nach mitgliedstaatlichem Recht (Art. 3.1.14. Abs. 1 S. 2 SES-E). Für eine in Deutschland ansässige SES wäre nach § 15 Abs. 3 GmbHG ein notariell beurkundeter Abtretungsvertrag notwendig. Eine solche Regelung war auch im letzten Entwurf für die SPE vorgesehen.

5. Ausschüttungen und Kapitalmaßnahmen

Die Möglichkeit zu Ausschüttungen an die Gesellschafter wird gemäß Art. 4.1.1. Abs. 2 SES-E durch einen obligatorischen „Bilanztest“ beschränkt. Hiernach ist eine Ausschüttung nur möglich, wenn die Vermögenswerte der Gesellschaft nach der beabsichtigten Ausschüttung ihre Verbindlichkeiten und ihr Stammkapital decken. Ein solcher Test ist aus § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG bekannt. Ein zusätzlicher „Solvenztest“ ist nicht ausdrücklich vorgesehen. Eine Kumulation beider Tests war auch bei der geplanten Einführung der SPE ein strittiger Punkt.

Im Hinblick auf Auflösung und Liquidation wird auf das nationale Recht verwiesen (Art. 4.1.5. SES-E) Für eine in Deutschland registrierte SES wären für die Auflösung und Liquidation daher die §§ 60 ff. GmbHG maßgeblich. Für die Insolvenz enthält der Entwurf keine Regelungen. Auch hier wäre das nationale Recht maßgeblich, für eine in Deutschland ansässige SES demnach die deutsche Insolvenzordnung.

 

IV. Kritik und Fazit

Das Projekt der SES ist begrüßenswert. Ein vereintes Europa braucht ein einheitliches Zivilrecht, wozu insbesondere ein vereinheitlichtes Gesellschaftsrecht gehört. Die Schaffung einer vereinfachten europäischen Gesellschaft kann ein Meilenstein auf diesem Weg sein. Die neue Gesellschaftsform kann zum Entstehen neuer europäischer Champions in den Branchen der Zukunft führen.

Die früheren Versuche der Etablierung einer vereinfachten europäischen Gesellschaft haben nicht die erhoffte Lösung geschaffen. Das neue Konzept hat für viele Konfliktpunkte der damaligen Entwürfe annehmbare Kompromisse gefunden. Allerdings weist auch der Regelungsentwurf zur SES Schwächen auf.

Lobenswert ist zunächst, dass der Entwurf eine möglichst umfassende Regelung anstrebt, die Verweisungen auf nationales Recht weitgehend zu vermeiden versucht. Praktisch dürften dennoch weitreichende Rückgriffe auf das nationale Gesellschaftsrecht in zentralen Fragen notwendig sein. Hier sind vornehmlich die Gründungsvorschriften und die Vorschriften über die Anteilsübertragung zu nennen. Bereits auf bilateraler Ebene zwischen Deutschland und Frankreich ergeben sich hier (zu) große Unterschiede. Diese Differenzen widersprechen der Idee einer einheitlichen europäischen Rechtsform. Würde die SES zudem planmäßig europaweit adaptiert, lädt die Möglichkeit der Sitzaufspaltung zur Umgehung der unterschiedlichen nationalen Regelungen durch Gründung von Briefkasten SES ein. Diese wären dann sogar mit einem europäischen Gütesiegel ausgestattet.

Ein weiterer problematischer Regelungskomplex betrifft die Registerregelungen. Große Unterschiede in den Mitgliedstaaten können nur durch die mittelfristige Schaffung eines (zentralen) europäischen Gesellschaftsregisters umgangen werden.

Kritisch zu beäugen sind auch die Regelungen zum Mindestkapital. Die vorgesehenen 12.000 Euro stellen einen Kompromiss dar. Im Binnenmarkt der Union ist der Zugang zur Haftungsbeschränkung ohne Mindestkapital mithilfe nationaler Gesellschaften jedoch bereits durch die Rechtsprechung des EuGH eröffnet worden. In Deutschland existiert etwa die Unternehmergesellschaft, die sich großer Beliebtheit erfreut. Das Mindestkapital schränkt insofern die Attraktivität der Gesellschaft ein. Fraglich ist auch, ob ein solches Mindestkapital noch zeitgemäß ist und noch die beabsichtigte Seriosität vermittelt.

Aktuell ist das Projekt der SES ohnehin ins Stocken geraten. Die DFPV hatte in dem Beschluss von den Regierungen Deutschlands und Frankreichs gefordert, dass sie sich binnen 18 Monaten in einem Bericht äußern. Beide Regierungen sind dieser Aufforderung – soweit ersichtlich – noch nicht nachgekommen. Die Arbeitsgruppe zur Harmonisierung des deutschen und französischen Wirtschafts- und Insolvenzrechts der DFPV existiert zudem nicht mehr. Eine solche sollte in der laufenden Legislaturperiode wieder eingesetzt werden, um die Arbeit fortzuführen. Es wäre zudem wünschenswert, wenn das Projekt der SES weiterverfolgt werden würde, damit nach zwei gescheiterten Projekten nun endlich eines erfolgreich wird und sich die Palette der Gesellschaftsformen auf Unionebene vervollständigt.