Der EuGH hat am 20. Juni 2024 (C-296/23) festgestellt, dass die Bewerbung eines Biozidproduktes, also z.B. eines Desinfektionsmittels, mit der Bezeichnung "hautfreundlich" nicht mit Unionsrecht vereinbar ist.
Die Drogeriemarktkette dm-drogerie markt GmbH & Co. KG (dm) bot das Desinfektionsmittel „BioLYTHE“ an, also ein Biozidprodukt. Biozide dienen dazu, Schadorganismen zu töten oder abzuwehren, also Bakterien und Viren. Sie wirken zum Beispiel darüber, dass sie das Nervensystem lähmen oder die Vermehrungsfähigkeit von Schadorganismen beeinträchtigen. Das macht sie aber gleichzeitig auch potenziell gefährlich für Mensch und Umwelt. Aufgrund ihrer Risiken dürfen Biozid-Produkte erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie zum Beispiel in Deutschland durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zugelassen worden sind. Geregelt wird das unionsrechtlich durch die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten.
Das von dm angebotene Biozidprodukt hatte ein Etikett mit folgenden Angaben: „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“, „Haut-, Hände- und Oberflächendesinfektion“, „Wirksam gegen SARS-Corona“ sowie „Hautfreundlich • Bio • ohne Alkohol“, was die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs für unlautere Werbung hält. Sie ist der
Ansicht, dm habe gegen die EU Verordnung über Biozidprodukte verstoßen. Sie hat daher Klage vor deutschen Gerichten erhoben, um dm zu verpflichten, es zu unterlassen, das fragliche Produkt als „ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ und/oder als „hautfreundlich“ und/oder „bio“ zu bezeichnen oder zu vertreiben.
Artikel 73 der besagten EU Verordnung über Biozide schreibt insfoern unter anderem vor, dass in der Werbung für Biozidprodukte das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden darf, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.
Der Bundesgerichtshof legte dem EuGH also die Frage vor, ob die Bewerbung mit "hautfreundlich" im Sinne des Artikel 73 der besagten EU Verordnung bzgl. der Maßgabe "ähnlicher Hinweis" jeden Hinweis umfasst, der – wie die eben erwähnten, in der Verordnung ausdrücklich genannten Angaben – die Risiken eines Biozidprodukts für die Gesundheit oder für die Umwelt oder hinsichtlich seiner Wirksamkeit verharmlost, ohne jedoch allgemeinen Charakter zu haben.
Der EuGH stellte nun fest, dass der Begriff „ähnliche Hinweise“ jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte umfasst, der diese in einer Art und Weise darstellt, die irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben. In Bezug auf die Angabe „hautfreundlich“ stellt der Gerichtshof fest, dass eine solche Angabe auf den ersten Blick eine positive Konnotation hat, die die Erwähnung jeglicher Risiken vermeidet, so dass sie nicht nur geeignet ist, die schädlichen Nebenwirkungen des fraglichen Produkts zu relativieren, sondern auch anzudeuten, dass dieses Produkt für die Haut sogar von Nutzen sein könnte. Eine solche Angabe ist irreführend, so dass das Verbot ihrer
Verwendung in der Werbung für das fragliche Biozidprodukt gerechtfertigt ist.