Wolfsjagdverbot in Österreich ist gültig

Die Wolfspopulation geht wirtschaftlichen Interessen vor

17.07.2024

Der EuGH hat am 11. Juli 2024 (C-601/22) entschieden, dass der Bestand der Wolfspopulation wirtschaftlichen Interessen vorgeht und Wölfe daher nur unter engen Voraussetzungen gejagt werden dürfen.


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Nachdem ein Wolf in Österreich 20 Schafe getötet hatte, wurde seitens der Tiroler Landesregierung vorübergehend dessen Tötung genehmigt. Dagegen gingen die Umweltorganisationen WWF Österreich, das ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung, der Naturschutzbund Österreich, der Umweltdachverband und der Wiener Tierschutzverein gerichtlich vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol (Österreich) vor. Das Gericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot, Wölfe zu jagen, anzunehmen ist. Wie sich nun herausgestellt hat, sind die Voraussetzungen für eine Ausnahme eng zu verstehen.

Europarechtliche Grundlagen für die Entscheidung des EuGH waren die Habitatrichtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2013/17/EU vom 13. Mai 2013 geänderten Fassung) sowie das für die EU bindende Übereinkommen zur Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19. September 1979 in Bern, die auch auf Österreich als Mitgliedstaat der EU Anwendung finden.

Demnach sind Wölfe streng geschützt und dürfen grundsätzlich nicht gejagt werden. Nur ausnahmsweise dürfen Mitgliedstaaten nach Artikel 16 Abssatz 1 der Habitatirichtlinie Ausnahmen hierzu treffen, wenn die Voraussetzungen des Artikel 16 Absatz 2 erfüllt sind. Hiernach dürfen Mitgliedstaaten im folgenden Sinne abweichen: 

  • zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;
  • zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;
  • im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;
  •  zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;
  • um unter strenger Kontrolle , selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben

Das Landesverwaltungsgericht hatte vorliegend Zweifel an der Gültigkeit des österreichischen Verbots und hat daher den EuGH im Zuge eines Vorabentscheidungsverfahrens gefragt, ob das Verbot so gültig ist und wenn ja, die Voraussetzungen der Ausnahmeregelungen näher zu konkretisieren. Der EuGH hat entschieden, dass das Verbot gültig sei, da die Wolfspopulation wirtschaftlichen Interessen vorgeht. Zumal die Wolfspopulation in Österreich nicht in gutem Zustand sei - was die österreichische Regierung selbst eingeräumt habe.

Die möglichen Ausnahmen zum grundsätzlichen Verbot, Wölfe zu bejagen, hat der EuGH ebenfalls konkretisiert:

  • Die Wolfspopulation muss sich in einem günstigen Erhaltungszustand sowohl auf lokaler Ebene (im Land Tirol) als auch auf nationaler Ebene (Österreich) befinden, was nicht der Fall ist. Außerdem, selbst wenn es der Fall wäre, müsste man sich, soweit dies die verfügbaren Daten zulassen, vergewissern, dass dies auch auf grenzüberschreitender Ebene gilt. 
  • Die Ausnahmeregelung darf die Wahrung des günstigen Erhaltungszustands auf keiner dieser drei Ebenen beeinträchtigen. Für den Fall, dass der Erhaltungszustand auf lokaler und nationaler Ebene günstig bleibt, muss die Bewertung soweit möglich auf grenzüberschreitender Ebene erfolgen. Der Gerichtshof merkt insoweit an, dass die Schweiz und Liechtenstein berücksichtigt werden könnten, da sie das Übereinkommen von Bern einzuhalten haben.
  • Die ernsten Schäden oder die ohe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts müssen zumindest weitgehend dem betreffenden Tierexemplar zuzuschreiben sein. Indirekte Schäden, die nicht auf diesen einzigen Wolf zurückzuführen sind und sich aus Betriebsauflassungen und der daraus resultierenden Reduktion des Gesamt-Nutztierbestands ergeben reichen nicht aus.
  • Es gibt keine anderweitige zufriedenstellende Lösung. In diesem Zusammenhang sind auch die wirtschaftlichen Auswirkungen anderer denkbarer Lösungen, wie z. B. Almschutzmaßnahmen, zu berücksichtigen. Almschutzmaßnahmen sind etwa  die Einrichtung von Zäunen, der Einsatz von Hirtenhunden oder die Begleitung der Herden durch Hirten. Sie können jedoch nicht ausschlaggebend sein. Zudem müssen die anderweitigen Lösungen gegen das allgemeine Ziel der Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Wolfspopulation abgewogen werden.

Diese Auslegung der Ausnahmen lässt sich auch auf die nationalen Vorschriften zum Wolfsjagdverbot anderer Mitgliedstaaten übertragen. Sie gelten also auch dort.