Demographie im Wandel

Generationskonflikte in der EU

12.07.2023

Dieser Artikel ist Teil unseres EU Youth Projektes. Wir haben die Europe Direct Büros in ganz Europa gefragt, was sie wichtig finden an ihrem Beruf und was sie sich als junge Menschen von der EU-Politik wünschen. Die Antworten findet ihr auf unseren Social Media Kanälen und eingearbeitet in unsere Artikel.

Menschen auf einer Fußgängerzone

Generationskonflikte gibt es weltweit. Immer wieder stehen alte Normen den Vorstellungen und Idealen der Jüngeren gegenüber. Lebensstile und Entwicklungen, wie z.B. die Digitalisierung, prägen diese Unterschiede, die sich über Ländergrenzen hinaus wiederspiegeln.

Der demografische Wandel in der EU stellt nun junge und ältere Bevölkerungsgruppen vor neue Herausforderungen.

Demografischer Wandel 

Momentan leben ca. 451,39 Mio. Menschen in der EU. Momentan sind davon ungefähr 16% zwischen 15 und 29 Jahre alt, 2011 waren es noch 18,1%. Derweil wird, Hochrechnungen zufolge, der Anteil von Menschen über 65 Jahre von 21% (2021) auf 32% (2100) weiter steigen. Die Gründe sind in den meisten EU-Ländern ähnlich: eine hohe Lebenserwartung und sinkende Geburtenrate. Während die Lebenserwartung seit einigen Jahren bei durchschnittlich 80 Jahren liegt, nimmt der Altersdurchschnitt, durch die geringer werdene Geburtenrate, stetig zu. Momentan bekommt eine Frau in der EU im Durchschnitt 1,53 Kinder. Um eine Bevölkerung konstant zu halten braucht es eine Fruchtbarkeitsziffer von 2,1. 

Die Folge dessen ist eine schrumpfende und alternde europäische Bevölkerung. Ein Trend, der nur durch die bisherige und in Zukunft erwartete Mirgration abgebremst wird. 

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Folgen für den Lebensstil   

Der Bevölkerungsrückgang ist besonders in ländlichen Gebieten spürbar. Viele junge Menschen ziehen in städtische Regionen und hinterlassen eine ältere Gesellschaft mit einer höheren Sterberate. Die sogenannte "Landflucht" der jüngeren Generationen führt zu gravierenden Änderungen der demografischen Strukturen. Während Städte durch die vergleichsweise junge Bevölkerung, ihre Modernität und einen sichereren Arbeitsmarkt immer attraktiver werden, verlieren ländliche Regionen durch fehlende Infrastruktur, Bildungsmöglichkeiten und Arbeitsplätze immer mehr an Beliebtheit. Für die Städte bedeutet die große Zuwanderung außerdem stark steigende Energiebedürfnisse und hohen Nachfragen auf dem Wohnungsmarkt.

Dazu kommt, dass obwohl die Bevölkerung in Europa schrumpft, ein Wachstum der Zahl der Haushalte zu beobachten ist, die immer kleiner werden. Während 2019 im Durchschnitt noch 2,3 Personen in einem Haushalt gewohnt haben, waren es 2021 nur noch 2,2 Personen. Am stärksten steigt die Anzahl der Singelhaushalte, zuletzt um 4,3% von 2019 bis 2021. Inzwischen lebt jeder/jede dritte erwachsene Europäer:in alleine, mit oder ohne Kinder.


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Politische Folgen

Allein durch die demografischen Strukturen werden junge Menschen von den älteren Generationen bei Wahlen überstimmt und sind dadurch in der Politik weniger repräsentiert. Auch bei der Besetzung politischer Ämter ist der Anteil älterer Menschen groß: das Durchschnittsalter der Abgeordneten im europäischen Parlament liegt momentan bei ca. 50 Jahren.  

Eine junge Kollegin im Europe Direct Cuneo, Italien berichtet: "Ältere Generationen empfinden den Kampf der Jugend, um Bürgerrechte und Klimaschutz, als Zeitverschwendung, da es immer "wichtigeres zu tun gibt". (...) Dadurch das Italien (demografisch gesehen) ein sehr altes Land ist, entsteht eine bedeutende Polarisation in der Gesellschaft. Während die jungen Menschen demonstrieren und um Rechte für alle kämpfen, will die Mehrheit der älteren Bevölkerung das bisher Erreichte bewahren ohne auf die langfristigen Folgen zu schauen(...)."

Das Europe Direct aus Thessaloniki, Griechenland beschreibt Ähnliches: "Die Welt ändert sich schnell und ältere Generationen finden es häufig nicht nur schwierig sich anzupassen, sondern auch, diese Veränderungen zu akzeptieren. Das führt zu extreme Meinungen mit viel Zuspruch der älteren Generationen, wie in Greichenland, und zu Frustration bei den jüngeren Menschen."

Auch die Tui-Studie 2023 zeigt, dass etwa die Hälfte (49%) der jungen Europäer:innen unzufrieden mit der bestehenden Demokratie in ihrem Land sind. Und obwohl sich die Zahlen in den Mitgliedsländern etwas unterscheiden, fühlen sich ein Viertel gar nicht und ein Drittel nur kaum von ihrer Politik vertreten. "Es wird immer schwieriger für die jüngeren Generationen, sich mit einer Partei zu identifizieren, die wirklich ihre Wünsche und Bedürfnisse repräsentiert.", bestätigt die junge Frau aus dem Europe Direct Cuneo. 


Medien

Digitalisierung und Politisches Verhalten 

Trotzdem versuchen sich junge Europäer:innen gehör zu verschaffen; bei Demonstrationen auf der Straße (wie im Fall der Protestbewegung Fridays for Future) oder über soziale Netzwerke, die junge Menschen zwischen 16 und 29 Jahren deutlich häufiger nutzen, um politisch zu partizipieren. 

"Ich glaube es gibt einen riesige digitale Lücke zwischen den Generationen.", berichtet eine Mitarbeiterin vom Europe Direct in Warmia und Mazury, Polen, "Die Älteren scheinen soziale Netzwerke nicht zu verstehen und anfälliger für Fake News zu sein." Für die jüngeren Generationen gehören Handy und Co. zum Altag dazu. Inzwischen nutzen 95% der Menschen zwischen 16 und 29 und 80% aller Bürger:innen zwischen 16-74 Jahren täglich das Internet. Doch gerade die ältesten Generationen scheinen lieber auf bekannte Medien zurückzugreifen.

Das zeigt sich auch im unterschiedlichen politischen Verhalten der Generationen. Eine junge Frau aus dem Europe Direct Napoli erklärt: "Wir engagieren uns im Aktivismus und setzen uns ein durch soziale Netzwerke, Proteste und zivilen Bewegungen, aber wir haben eine niedrigere Wahlbeteiligung. Im Gengenzug glauben meine Eltern mehr in Wahlen, Partein und starke Ideologien. Abschließend nutze ich online Journalismus, während meine Eltern Fehrnsehen oder andere traditionelle Medien nutzen."

Die Möglichkeit sich über Ländergrenzen hinaus zu informieren und zu vernetzen, hat auch das Gefühl und Selbstverständnis der Jugend geprägt. "Junge Menschen haben, dank des Internets und sozialen Netzwerken, Möglichkeiten wie nie zuvor um über die Welt und Ereignisse um sie herum zu lernen. Das treibt uns sicherlich dazu, uns auch über unseren Tellerrand hinaus verantwortungsbewusster zu fühlen, drängt uns aktiv zu werden und die Politik aufzufordern in eine neue Richtung zulenken", berichtet die junge Italienerin aus Cuneo. 


Better Tomorrow

Zukunft EU  

Der demografischen Wandel bringt einigen Herausforderungen für die Politik und die EU. Zum Beispiel durch mehr Bürger:innen die auf langfristige Pflege angewiesen sind, weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt und somit geringeren Steuereinahmen. Dazu kommen Krisen wie der Klimawandel, der bereits jetzt das Leben von Vielen stark beeinflusst. 

Die europäische Politik erkennt den Wandel in der Bevölkerung und entwickelt Strategien, um mit dessen Folgen umzugehen, z.B. bezüglich der Pflege und Betreuung für die steigende Anzahl älterer Menschen. Auch mit dem Aufbauplan NextGenerationEU soll die Zukunft junger Generationen verbessert werden.

"Langsam, aber stetig hört die EU die jungen Menschen und erarbeitet Strategien basiernd auf deren Bedürfnissen. Das Erasmus+ Programm ist ein wundervolles und auch greifbares Beispiel für diese Bemühungen. Jetzt müssen junge Menschen ihre Beteiligung in EU Institutionen erhöhen (beginnend beim Parlament) um zu unterstützen und mit allen anderen im demokratischen Prozess zusammen zu arbeiten", schildert das Europe Direct Modena.