Verwertbarkeit von EncroChat-Daten

Staatanwält:innen können EncroChat-Daten aus dem Ausland anfordern

07.05.2024

Der EuGH (Urteil vom 30.04.2024 - c-670/22) hat entschieden, dass die Übermittlung von EncroChat-Daten zwischen ausländischen Behörden unter den gleichen Voraussetzungen möglich ist, wie z.B. die Anforderung von Beweismitteln von inländischen Behörden.

In der kriminellen Szene wurde der Krypto-Messengerdienst EncroChat über Jahre hinweg, insbesondere zum weltweiten Drogenhandel genutzt. Der Dienst galt als nicht entschlüsselbar, bis die Polizei in Frankreich und den Niederlanden die Software 2020 knackte und mittels Überwachungssoftware mehr als 20 Millionen geheime Chat-Nachrichten abschöpfte, bevor das Vorgehen der Polizei aufflog. Auf Grundlage dieser Chatnachrichten kam es zu zahlreichen Festnahmen und Verurteilungen in ganz Europa.

Die Details der Überwachungsmaßnahmen sind als französisches Staatsgeheimnis unbekannt, weshalb unklar ist, ob und in welchem Umfang die durch EncroChat gewonnenen Daten in deutschen Strafverfahren verwertbar sind. Einige dieser Fragen klärte der EuGH nun auf Vorlage des Landgerichts Berlin und stellte dabei fest: Deutsche Ermittler:innen dürfen theoretisch auch ohne richterliche Anordnung bei Partnerländern Beweismittel aus dem Krypto-Messengerdienst EncroChat abfragen. Das Verfahren kann also auch von Staatsanwält:innen in die Wege geleitet werden.

Die deutsche Staatsanwaltschaft hatte in einem Strafverfahren wegen illegalen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln eine Europäische Ermittlungsanordnug erlassen. Darauhin ist die Übermittlung der Daten nach Deutschland durch ein französisches Gericht genehmigt worden. Das an den EuGH vorlegende Landgericht Berlin hatte Zweifel, ob ein deutsches Gericht die Ermitttlungsanordnung hätte in die Wege leiten müssen.

Der EuGH entschied, sofern ein Staatsanwalt in einem innerstaatlichen Verfahren für die Übermittlung bereits erhobener Beweise zuständig ist, dies auch im innereuropäischen grenzüberschreitenden Kontext gelte. Unerheblich ist dabei, ob die Beweiserhebung durch die französischen Behörden in Deutschland und im Interesse der deutschen Behörden erfolgte.

Das Gericht stellte überdies klar, dass der Mitgliedstaat, in dem sich eine über EncroChat überwachte Person aufhält, über die Überwachungsmaßnahmen informiert werden muss. Die Behörden des jeweiligen Landes des Aufenthalts dürfen dann entscheiden, ob die Überwachungsmaßnahmen fortgeführt werden dürfen.

Die Rechtmäßigkeit der Verwertbarkeit der Daten bleibt jedoch trotz des Urteils in Deutschland umstritten. Auch wenn der Bundesgerichtshof im Jahr 2022 (Beschluss vom 08.02.2022 - Az 6 StR 639/21) entschied, die EncorChat-Daten würden keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen, so gibt es noch keine inhaltliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Sache.

Wie das Landgericht Berlin den Ausgangsfall entscheiden wird und wie sich die rechtspolitische Debatte weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten.