Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Urteil des EuGH gegen Ungarn

03.07.2023

Der EuGH erklärt ungarisches Asylgesetz für rechtswidrig: Erhöhte Anforderungen an Asylantragssteller während der Coronapandemie verstoßen gegen Unionsrecht.

Mit Urteil vom 22. Juni 2023 erklärte der EuGH ein ungarisches Gesetz für unionsrechtswidrig, welches im Jahre 2020 im Zuge der Coronapandemie verabschiedet wurde. Dieses sah vor, dass das Recht auf Stellen eines Asylantrags in Ungarn davon abhängig gemacht wurde, dass zuvor in einem anderen Land ein Vorverfahren durchgeführt wurde. So mussten Asylsuchende vor Stellung eines Asylantrags persönlich in einer ungarischen Botschaft in Serbien oder der Ukraine erscheinen, um eine Absichtserklärung zur Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz abzugeben. Erst nach Prüfung einer derartigen Erklärung entschieden die ungarischen Behörden über die Erteilung eines Reisedokuments nach Ungarn zum Stellen eines Asylantrags. Begründet wurde die Regelung mit einer durch die neue Praxis bezweckten Eindämmung des Covid-19-Virus.

Der EuGH entschied nun, dass das Gesetz gegen die Europäische Richtlinie zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes verstieß, nachdem die Europäische Kommission zuvor Vertragsverletzungsklage gegen Ungarn erhoben hatte. Das Gericht stellte fest, dass das Erfordernis eines Vorverfahrens im Ausland dem Ziel der Richtlinie – eines einfachen, effektiven und schnellen Zugangs zum Verfahren für die Zuerkennung des internationalen Schutzes – widerspricht. Ebenfalls beeinträchtigt werde das Recht auf die Ansuchung von Asyl, welches Nicht-EU-Bürgern nach der Europäischen Charta für Menschenrechte zusteht.

Zwar könnten Mitgliedstaaten in einem begrenzten Rahmen das Stellen eines Asylantrags von gewissen Voraussetzungen abhängig machen. Notwendig sei jedoch stets, dass diese Abweichungen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind und zudem nicht unverhältnismäßig erscheinen. Diesen Anforderungen werde das ungarische Gesetz indes nicht gerecht: Der EuGH hob hervor, dass der Schutz vor einer Ausweitung der Coronapandemie nicht als Rechtfertigung in Betracht komme, da das Aufsuchen einer ausländischen Botschaft vor Stellen eines Asylantrags aufgrund des damit verbundenen Reiseaufwands mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko in Bezug auf Covid-19 einherginge, welche auch die Ausbreitung des Virus in Ungarn hätte befördern können. Insoweit sei das Gesetz zur Senkung der Fallzahlen bereits nicht geeignet.

Zudem stelle sich das Gesetz als offensichtlicher und unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht von Schutzsuchenden, ab ihrer Ankunft in einem europäischen Mitgliedstaat einen Antrag auf Asyl stellen zu können, dar.