Streit um das Nordirlandprotokoll

Hoffnung auf Versöhnung?

18.01.2023

Seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU findet ein Ringen zwischen den ehemaligen Partnern statt. Zwischen ihnen steht das im Jahr 2021 verabschiedete Nordirlandprotokoll, welches von London stark kritisiert wurde.


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Mit dem "Brexit" im Jahr 2020 trat Großbritannien ein Jahr später aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Der Austritt hatte unter anderem zur Folge, dass nunmehr EU-Zölle erhoben und Zollkontrollen durchgeführt werden sollten. Die britische Regierung und Brüssel waren sich bereits während der Brexitverhandlungen einig, dass es zu keiner „harten Grenze“ zwischen Nordirland und Irlands kommen soll. Beide Seiten fürchteten das Karfreitagsabkommen zu verletzen, welches vor fast 25 Jahren für die Beendung des Nordirlandkonfliktes und für einen friedlichen Dialog gesorgt hatte. Um das Karfreitagsabkommen zu sichern und um keinen Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern einer Vereinigung Irlands zu riskieren, einigte man sich auf das Nordirlandprotokoll. Beschlossen hat man, um eine „sanfte Grenze“ zu sichern, die Integrität des EU-Binnenmarktes für Waren und Garantien in Nordirland.  Durch das Vermeiden von Zollkontrollen und EU-Zöllen sollte ein reibungsloser Wirtschaftsablauf zwischen der Grenze gesichert werden. Seitdem folgt Nordirland den Regeln des europäischen Binnenmarktes und der Zollunion, was Teile der britischen Konservativen und Unionisten kritisieren. Britische Waren oder die von Drittstaaten, welche die innerbritische Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest von Großbritannien passieren, müssen vom Zoll kontrolliert und mit EU-Zöllen belegt werden. Die Zuständigkeit für die innerbritische Zollgrenze auf See trägt der britische Zoll.

Die Wahlen am 05.Mai 2022 in Nordirland

Nach dem Wahlsieg der irisch nationalistischen Partei muss diese ein Bündnis mit der zweitstärksten Democratic Unionist Party (DUP) eingehen, um im nordirischen Parlament eine Mehrheit zu erlangen. Die beiden Parteien stehen sich politisch gegenüber. Die DUP positioniert sich deutlich gegen den Brexit und das Nordirlandprotokoll und befürchtet eine Entfremdung Nordirlands vom Rest Großbritanniens und der Regierung in London. Sie drohen die Regierungsbildung zu verhindern, solange keine Veränderungen am Protokoll vorgenommen werden. Boris Johnson und seine Regierung teilten diese Abneigung gegenüber dem Nordirlandprotokoll, sie störten sich an der Zollgrenze. Seit zwei Jahren steht die Forderung der britischen Regierung nach der Abschaffung der meisten Kontrollen und der Aufhebung der Zölle auf britische Ware im Raum. Johnson bestand bereits im Juli 2021 auf Nachverhandlungen. Um den Druck auf die EU zu erhöhen drohte die Regierung in London wiederholt, den Artikel 16 anzuwenden. Dieser besagt, dass bei „ernster wirtschaftlicher, sozialer oder ökologischer Schwierigkeiten“ bestimmte Punkte des Vertrages ausgesetzt werden können. Die EU lehnte Neuverhandlungen jedes Mal strikt ab, äußerte sich aber positiv über Verhandlungen über die Umsetzung. Die Einseitige Anpassung des Nordirlandprotokolls durch die britische Regierung am 13. Juni 2022 stieß auf harsche Kritik. In Folge dessen leitete die EU ein Vertragsverletzungsverfahrens ein, da es dafür ihrer Ansicht nach keine politische oder juristische Rechtfertigung gab.

Hoffnung auf Versöhnung

Die nun erfolgte Einigung Großbritanniens mit der EU auf einen Datenaustausch birgt Hoffnung auf eine baldige Beseitigung der Disparitäten. Die EU wird damit Einblick in das Computersystems des britischen Zolls bekommen und besser nachvollziehen können, welche Waren in welcher Menge die Zollgrenze zwischen Nordirland und Wales, England und Schottland passieren. Durch den Entschluss erhofft man sich eina Annäherung und einen möglichen Austausch über die Umsetzung des Protokolls. Der britische Außenminister, sein Amtskollege aus Nordirland und Kommissions-Vizepräsident Šefčovič sagten nach der Einigung, es sei „eine wichtige Voraussetzung, um Vertrauen aufzubauen und Absicherungen bereitzustellen“. Diese Woche sind weitere Treffen geplant, bei denen Fachleute sich mit der Frage nach möglichen Lösungen für die Streitpunkte beschäftigen. Ebenfalls verkündete der britische Premier Rishi Sunak, die Streitereien sollen bis zum 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommen am 10. April beigelegt werden.