Der parlamentarische Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission

Die "nukleare Option" des EU-Parlaments gegen die EU-Kommission

07.07.2025

Gegen die EU-Kommission wurde am 3. Juli 2025 ein Misstrauensantrag eingereicht. Federführend ist der rumänische Abgeordnete Gheorghe Piperea, der der Rechtsaußen-Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ („EKR“) angehört. Misstrauensanträge sind im EU-Alltag ein sehr seltenes Ereignis. Seit seiner Etablierung wurden aus dem Europäischen Parlament lediglich 13 Anträge gestellt, die allesamt scheiterten. Einzig im Jahr 1999 war ein drohender Misstrauensantrag der Grund dafür, dass die damalige EU-Kommission unter Jacques Santer zurücktrat. 

Angesichts seiner Seltenheit möchten wir euch in diesem Artikel die rechtlichen Grundlagen und das Verfahren bei einem Misstrauensantrag gegen die Kommission erläutern.

Rechtliche Grundlagen

Der Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission ist grundlegend in Art. 234 AEUV geregelt. Nach Abs. 1 darf das Europäische Parlament nicht vor Ablauf von drei Tagen nach seiner Einbringung und nur in offener – d.h. namentlicher – Abstimmung über ihn entscheiden. Abs. 2 erläutert weiter, dass der Misstrauensantrag durch eine Mehrheit von

  • zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und
  • eine Mehrheit der Mitglieder des EU-Parlaments

angenommen werden muss, um Erfolg zu haben.

Art. 131 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments konkretisiert die Anforderungen an den Misstrauensantrag weiter. So muss dieser gemäß Abs. 1 Satz 1 zunächst durch mindestens ein Zehntel der Mitglieder des Europäischen Parlaments gestützt werden. Wurde in den vorangehenden zwei Monaten bereits über einen Misstrauensantrag abgestimmt, bedarf ein erneuter Antrag die Unterstützung von mindestens einem Fünftel der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Abs. 1 Satz 2). Es müssen also mindestens 72 bzw. 144 Mitglieder des Parlaments den Misstrauensantrag stützen. Darüber hinaus muss er nach Abs. 2 als „Misstrauensantrag“ bezeichnet werden und eine Begründung erhalten.

Verfahren

Das Verfahren bei einem Misstrauensantrag läuft wie folgt ab:

  1. Der vollständige und durch ausreichend Mitglieder des Europäischen Parlaments gestützte Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission wird bei dem Präsidenten oder der Präsidentin des Europäischen Parlaments eingereicht.
  2. Der Präsident oder die Präsidentin teilt unverzüglich allen Mitgliedern des Europäischen Parlaments den Zugang des (zulässigen) Misstrauensantrags mit.
  3. Gemäß Art. 131 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments müssen ab der Mitteilung mindestens 24 Stunden vergehen, bis eine Debatte im Europäischen Parlament zu dem Misstrauensantrag stattfinden kann.
  4. Nach Durchführung der Debatte im Europäischen Parlament müssen gemäß Art. 131 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments mindestens 48 Stunden vergehen, ehe über den Misstrauensantrag abgestimmt werden kann.
  5. Nach Ablauf der 48-stündigen Wartezeit stimmen die Mitglieder des Europäischen Parlaments offen und namentlich über den Misstrauensantrag ab.
  6. Die Debatte und Abstimmung finden unbeschadet der obigen Ziffern 3 bis 5 gemäß Art. 131 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments spätestens in der nächsten Sitzung des Parlaments statt, die auf den Eingang des Misstrauensantrags folgt.
  7. Sollte der Antrag die erforderlichen Mehrheiten erreichen – zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und eine Mehrheit der Mitglieder des EU-Parlaments – sieht Art. 234 Abs. 2 AEUV vor, dass die Mitglieder der Kommission zusammen ihr Amt niederlegen und die Geschäfte der Kommission bis zu ihrer Ersetzung durch eine neugewählte EU-Kommission fortführen.

Ausblick

Zwar wird von Beobachtern nicht erwartet, dass der aktuelle Misstrauensantrag gegen die Kommission unter Frau von der Leyen Erfolg haben wird. 

Dass ein Teil der Parlamentarier jedoch zu diesem scharfen Schwert – auch „nukleare Option“ genannt – greift, ist ein klares Zeichen an die Kommission: Sie ist ausschließlich dem Europäischen Parlament gegenüber verantwortlich und kann im äußersten Fall durch sie zu Fall gebracht werden.