MiCA-Verordnung

Die neue europäische Krypto-Verordnung MiCA

22.06.2023

Mit der Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA-VO) hat die Europäische Union im April 2023 den ersten umfassenden Regulierungsrahmen für Kryptowährungen und sonstige Kryptowerte verabschiedet. Sie wird voraussichtlich ab 2024 schrittweise in Kraft treten und der Europäischen Union damit eine Vorreiterstellung hinsichtlich der Regulierung digitaler Vermögenswerte verschaffen. Ziel der Verordnung ist zum einen die Förderung der Nutzung von Kryptowährungen innerhalb der Europäischen Union durch Bildung von Vertrauen der Nutzer in die Kryptomärkte sowie der Gewährleistung von Marktintegrität. Erreicht werden soll dies durch ein hohes Niveau an Verbraucherschutz am Markt für Crypto-Assets und der Schaffung neuer Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über den neuen Regulierungsrahmen verschaffen.


pexels-rdne-stock-project-8370752

Technische Grundlagen

Technische Grundlage der Kryptowerte ist die Distributed-Ledger-Technology (übersetzt etwa Technologie verteilter Kassenbücher). Der Begriff umfasst elektronische Datenbanken, welche über mehrere Standorte hinweg synchronisiert und gemeinsam genutzt werden.[1] Jeder Teilnehmer kann auf die Daten zugreifen und eine eigene Kopie davon besitzen. Durch die Dezentralisierung der Datenbank kann erkannt und verhindert werden, dass diese unerlaubt verändert wird. Die Speicherung der Daten erfolgt nach kryptographischen Methoden. Der Zugang wird durch Schlüssel und Signaturen geregelt.

Ein zentraler Vorteil der Distributed-Ledger-Technology ist, dass sie die gemeinsame Verwaltung von Daten, insbesondere die Buchführung für von Teilnehmern getätigten Transaktionen ermöglicht, die sich gegenseitig nicht kennen oder nicht vertrauen.[2] Als eine der bekanntesten Distributed-Ledger-Technologien gilt die Blockchain, welche Transaktionen der Netzwerkteilnehmer zu Blöcken bündelt, diese miteinander verbindet und zur Überprüfung ihrer Richtigkeit an die verschiedenen dezentralen Knotenpunkte des Netzwerks sendet. Die gebündelten Transaktionen, versehen mit Informationen über den Zeitpunkt ihrer Entstehung, werden der Kette an Blöcken angefügt, welche alle bisherigen Transaktionen für die Teilnehmer nachvollziehbar sichtbar macht. Im Ergebnis besteht so die Möglichkeit, ohne Zwischenschaltung eines Intermediärs – etwa einer Bank – Transaktionen zwischen den Teilnehmern abzuwickeln. 

Anwendungsbereich der MiCA

In persönlicher Hinsicht erfasst die MiCA-VO Emittenten und Anbieter von Kryptowerten sowie die Erbringer von Krypto-Dienstleistungen (Art. 2 Abs. 1 MiCA-VO). Die danach erfassten Dienstleistungen sind in Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 MiCA-VO aufgezählt und umfassen beispielsweise die Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten für Dritte, den Betrieb einer Handelsplattform für Kryptowerte oder den Tausch von Kryptowerten gegen Nominalwährungen oder andere Kryptowerte.

Begriffsbestimmung

Kryptowerte lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, von denen nicht alle von der MiCA umfasst sind. Ausgenommen sind gemäß Artikel 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) MiCA-VO etwa Finanzinstrumente, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie standardisiert und auf dem Kapitalmarkt frei handelbar sind.[3]

Asset Token

Asset-Token zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihrem Inhaber bestimmte Rechte vermitteln, etwa Gewinnausschüttungsrechte, Stimmrechte oder sonstige schuldrechtliche Ansprüche. Vergleichbar sind Asset-Token daher mit der Inhaberschaft von Aktien oder Schuldtiteln. Diese erfüllen regelmäßig bereits die Voraussetzungen des europarechtlichen Begriffs der Finanzinstrumente und fallen – da eine unionsrechtliche Regulierung von Finanzinstrumenten bereits existiert – aus dem Anwendungsbereich der MiCA-Verordnung heraus.

Zahlungstoken

Als Zahlungstoken werden Kryptowerte bezeichnet, die als Zahlungsmittel fungieren und mithin eine Art Währung darzustellen bestimmt sind.[4] Das bekannteste Zahlungstoken ist der Bitcoin. Oft verkörpern Zahlungstoken keinen außerhalb der Blockchain liegender Wert. Die Kurse, zu welchen derartige Kryptowährungen gehandelt wurden, unterlagen in der Vergangenheit teilweise starken Schwankungen.

Um derartige Kursschwankungen zu vermeiden, beziehen sich einige Zahlungstoken – sogenannte Stablecoins – auf Fiat-Währungen oder andere Stabilität vermittelnde Referenzwerte wie Staatsanleihen. Der Emittent solcher Stablecoins hält also den Betrag des zum Erhalt der Token an ihn gezahlten Preises in Form des Referenzwertes vor, um den Kurs zu stabilisieren. Andere Stablecoins versuchen diese Stabilisierung ohne Orientierung an einen extrinsischen Wert durch automatische Regulierung von Angebot und Nachfrage zu erreichen (algorithmische Stablecoins).[5]

Utility-Token

Utility-Token zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen schuldrechtlichen Anspruch auf Nutzung bestimmter Produkte oder Dienstleistungen vermitteln.[6] Ähnlich der Asset-Token verkörpern sie also einen extrinsischen Wert. Oft geht es um die Nutzung einer Software oder Serverkapazitäten, gegen welche die Token eingetauscht werden können. Utility-Token ähneln insoweit einem Gutschein, können allerdings – etwa bei gradueller Verknappung ihrer Menge – auch als Versteigerung dienen.[7]

Differenzierung nach der MiCA-VO

Die MiCA-VO selbst nimmt eine vergleichbare Differenzierung vor. So unterscheidet sie zwischen wertreferenzierten Token, E-Geld-Token und sonstigen Krypo-Assets, welche auch Utility-Token umfassen.[8]  Wertreferenzierte Token und E-Geld-Token sollen sog. Stablecoins erfassen und unterliegen speziellen Regelungen in Titel III und IV der MiCA-VO. Wertreferenziert ist ein Token dann, wenn deren Wert unter Bezugnahme auf einen außenstehenden Wert, etwa eine Währung, ein Rohstoff oder andere Token gebildet wird, um dessen Stabilität sicherzustellen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 MiCA-VO). Der Begriff E-Geld-Token ist demgegenüber enger und verlangt, dass die Bezugnahme auf eine als Zahlungsmittel anerkannte Währung erfolgt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 MiCA-VO).

Sonstige Token sind in Titel II der MiCA-VO geregelt. Ausgenommen sind hingegen solche Token, die als Wertpapiere darstellen und deshalb als Finanzinstrumente einzuordnen sind (Artikel 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) MiCA-VO). Nicht von der Regulierung erfasst sind zudem die meisten Arten sogenannter non-fungible-Token (NFTs), vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. c) MiCA-VO. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein einzigartiges Recht oder ein Recht an einer Sache abbilden (beispielsweise an digitalen Kunstwerken), welches – anders als etwa Zahlungstoken – nicht fungibel ist.[9]

Inhalt der Verordnung

Anhand der oben genannten Differenzierung unterscheidet die Regulierung in den Titeln II-IV der MiCA-VO danach, ob wertreferenzierte Token, E-Geld-Token und sonstigen Token vorliegen.

Sonstige Kryptowerte

Kryptowerte, die keine wertreferenzierten Token oder E-Geld-Token darstellen, werden in Titel II der MiCA-VO geregelt. Gemäß Art. 4 Abs. 1 MiCA-VO ist das öffentliche Anbieten sonstiger Kryptowerte innerhalb der Europäischen Union nur erlaubt, wenn der Emittent eine juristische Person ist, die zuvor hinsichtlich der von ihr emittierten Werte ein Krypto-Whitepaper erstellt, notifiziert und veröffentlicht hat. Einer Erlaubnis für die Emission dieser Art von Kryptowerten bedarf es hingegen nicht.[10] Das Whitepaper muss inhaltlich in fairer, eindeutiger und nicht irreführender Weise

  • Informationen über den Emittenten, 
  • das mit dem aufgebrachten Kapital durchzuführende Projekt, 
  • das öffentliche Angebot von Kryptowerten oder ihre Zulassung zum Handel auf einer Handelsplattform für Kryptowerte, 
  • die mit den Kryptowerten verbundenen Rechte und Pflichten, 
  • die für diese Werte verwendeten zugrunde liegende Technologie und 
  • die damit verbundenen Risiken enthalten.[11]

Erwerben Verbraucher sonstige Kryptowerte direkt vom Emittenten, steht ihnen gemäß Art. 12 MiCA-VO ein Widerrufsrecht zu. Dieses kann innerhalb von 14 Tagen seit dem Kauf der Werte ausgeübt werden. Über das Widerrufsrecht muss zudem im Whitepaper unterrichtet werden. Eine Ausnahme enthält Art. 12 Abs. 4 MiCA-VO für Kryptowerte, die zum Handel auf einer Handelsplattform für Kryptowerte zugelassen sind, da ihr Preis den Schwankungen des Marktes unterliegt und der Verbraucher von diesem Marktrisiko nicht für die Zeit der Widerrufsfrist befreit werden soll.[12]

Art. 13 MiCA-VO verpflichtet die Emittenten zudem zu einem fairen, ehrlichen und professionellen Handeln, eindeutiger und nicht irreführender Kommunikation, der Offenlegung von Interessenkonflikten sowie der Pflege ihre Systeme und Protokolle zur Gewährleistung der Zugriffssicherheit entsprechend den einschlägigen Standards der Union.

Art. 14 MiCA-VO normiert zudem eine Haftung des Emittenten für Schäden, die aufgrund unvollständiger, unfairer oder nicht eindeutiger Informationsvermittlung im Whitepaper entsteht. Anspruchsberechtigt ist der Inhaber der Kryptowerte. Weitere zivilrechtliche Ansprüche aus mitgliedstaatlichem Recht bleiben von der Regelung unberührt. 

In Bezug auf Utility-Token regelt Art. 4 Abs. 3 MiCA-VO, dass die Angebotsdauer hinsichtlich eines durch den Erwerb des Tokens vermittelten Dienstes, welcher noch nicht in Betrieb ist, 12 Monate nicht überschreiten darf. Zudem muss das erforderliche Whitepaper bei Utility-Token gemäß Art. 5 Abs. 5 lit. d) MiCA-VO darauf hinweisen, dass die Token, insbesondere im Falle eines Ausfalls oder der Einstellung des Projekts, möglicherweise nicht gegen die im Kryptowert-Whitepaper zugesagte Ware oder Dienstleistung getauscht werden können.

Wertreferenzierte Token und E-Geld-Token

Kryptowerte, die gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3,4 MiCA-VO wertreferenziert sind oder als E-Geld-Token gelten, unterliegen gesonderten Bestimmungen nach Titel III und IV der Verordnung. Der in der MiCA-VO zum Ausdruck kommende gesteigerte Regulierungsbedarf von Stablecoins ergibt sich aus ihrem Potential, durch Wertstabilität eine hohe Marktrelevanz zu erlangen und damit als Zahlungsmittel oder alternative Währung mit Systemrelevanz genutzt zu werden.[13]

Anders als sonstige Kryptowerte unterfallen gemäß Art. 14, 19, 43 MiCA-VO beide Gattungen von Kryptowerten einer Erlaubnispflicht. Dies gilt indes nicht, wenn der Wert aller Token über einen Zeitraum von 12 Monaten 5 Millionen Euro nicht übersteigt. Für E-Geld-Token ist zur Erteilung der Erlaubnis erforderlich, dass es sich bei dem Emittenten um ein Kreditinstitut im Sinne der RL 2013/36/EU oder um ein E-Geld-Institut im Sinne der RL 2009/110/EG handelt. Bei Erteilung einer Genehmigung durch die zuständige Behörde, gilt diese in der gesamten Europäischen Union.[14]

Die Pflichten, denen Emittenten von wertreferenzierten Token und E-Geld-Token unterliegen, ähneln in Bezug auf die Veröffentlichung eines Whitepapers sowie den Anforderungen an redliches Geschäftsgebaren und unmissverständliche Kommunikation denen für sonstige Token (vgl. Art. 23 ff. MiCA-VO). Darüber hinaus sind Emittenten dieser Kryptowerte verpflichtet, eine Vermögensreserve vorzuhalten, deren Zusammensetzung, Verwaltung und Anlage in den Art. 32 ff. MiCA-VO detailliert geregelt ist. Emittenten von E-Geld-Token sind darüber hinaus verpflichtet, das im Gegenzug für die Ausgabe der Token eingenommene Geld in sichere, risikoarme, hochliquide Aktiva zu investieren, die die auf die Währung lauten, auf die sich das E-Geld-Token bezieht.[15]

Inhaber wertreferenzierter Token haben gemäß Art. 35 MiCA-VO ein Rücktauschrecht gegenüber dem Emittenten. Bei E-Geld-Token muss den Inhabern hingegen ein Forderungsrecht gegenüber dem Emittenten eingeräumt werden.

Verhinderung von Marktmissbrauch und Eingriffsbefugnisse

Titel VI der MiCA-VO widmet sich der Verhinderung von Marktmissbrauch im Zusammenhang mit Kryptowerten. So ist es nach Art. 78 MiCA-VO zukünftig verboten, Insiderinformationen über Kryptowerte nutzen, um diese Kryptowerte, direkt oder indirekt, für eigene oder fremde Rechnung, zu erwerben oder zu veräußern.

Ebenfalls verboten wird die Manipulation von Kryptomärkten, etwa durch das Setzen falscher oder irrtümlicher Signale hinsichtlich des Angebots oder des Preises von Kryptowerten oder der Nachfrage danach, ohne dass ein legitimer Grund dafür dachgewiesen werden kann.

In Titel VII der Verordnung regelt die Eingriffsbefugnisse der von den Mitgliedstaaten zu benennenden nationalen Aufsichtsbehörden, welche mit den Aufsichtsbehörden der übrigen Mitgliedsstaaten sowie den europäischen Insitutionen EBA und ESMA zusammenarbeiten. Diese reichen von zahlreichen Informationsrechten gegenüber den Anbietern von Krypto-Dienstleistungen über die Möglichkeit, das Anbieten von Krypto-Dienstleistungen nach Verstößen gegen die MiCA-Verordnung zu untersagen.

 


 

[1] Vgl. https://cvj.ch/glossary/distributed-ledger-technology-dlt/, zuletzt aufgerufen am 12.06.2023.

[2] [2] Vgl. https://cvj.ch/glossary/distributed-ledger-technology-dlt/, zuletzt aufgerufen am 12.06.2023.

[3] Spindler, WM 2018, 2109. 2112; Grimm/Kreuter, AG 2023, 177, 183.

[4] Grimm/Kreuter, AG 2023, 177, 179.

[5] Grimm/Kreuter, AG 2023, 177, 179.

[6] Spindler, WM 2018, 2109, 2113.

[7] Schelzke, wistra 2022, 182, 184; Grimm/Kreuter, AG 2023, 177, 179.

[8] Hirzle/Hugendubel, BKR 2022, 821, 823.

[9] Hirzle/Hugendubel, BKR 2022, 821, 824.

[10] Hirzle/Hugendubel, BKR 2022, 821, 825.

[11] vgl. Erwägungsgrund 14 zur MiCA-VO.

[12] Zickgraf, BKR 2021, 362, 364.

[13] Lösing/John, BKR 2023, 373, 375.

[14] Hirzle/Hugendubel, BKR 2022, 821, 826.

[15] Hirzle/Hugendubel, BKR 2022, 821, 826.