Jahresbericht des Gerichtshofs der Europäischen Union

Das Gerichtsjahr 2022 im Europäischen Gerichtshof

12.07.2023

Am 06. Juli 2023 veröffentlichte der Europäische Gerichtshof seinen Jahresbericht 2022. Das Jahr stand im Zeichen des 70-jährigen Jubiläums des Gerichts und war dem Motto „Eine bürgernahe Justiz“ gewidmet. Nachfolgend werden die wichtigsten Eckpunkte des Berichts erläutert. Im Fokus steht eine Darstellung der Rechtsprechung.
 

Ein paar Statistiken vorab

Zum Europäischen Gerichtshof (EuGH)

  • Der EuGH wurde im Jahr 2022 mit 806 neuen Rechtssachen befasst
  • Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 16,4 Monate
  • Der EuGH ist besetzt mit  27 Richtern und 11 Generalanwälten. 2022 wurde kein neues Mitglied des Gerichtshofs ernannt.

Zum Europäischen Gericht (EuG)

  • Das Gericht wurde im Jahr 2022 mit 904 neuen Rechtssachen befasst
  • Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 16,2 Monate. 
  • Das Gericht besteht aus zwei Richtern je Mitgliedstaat. Im Jahr 2022 wurden 8 neue Mitglieder aufgenommen.

Die bahnbrechendste Rechtsprechung im Jahr 2022

EU darf Auszahlung von EU-Mitteln an Wahrung der Rechtsstaatlichkeit knüpfen

Urteil vom 16. Februar 2022 (C-156/21 und C-157/21)

Die Verordnung, die die Zahlung von EU-Mitteln an die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit knüpft, wurde von Ungarn und Polen beim Gerichtshof angefochten. Wegen der besonderen Bedeutung der Rechtssachen hat der Gerichtshof als Plenum über die Klagen entschieden und am 16. Februar 2022 die Klagen abgewiesen. 

Der Gerichtshof weist das Vorbringen zurück, wonach die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit im Unionsrecht keinen konkreten sachlichen Inhalt hätten. Denn diese Grundsätze sind in seiner Rechtsprechung umfänglich konkretisiert worden und werden somit in der Unionsrechtsordnung präzisiert. Sie gehen auf gemeinsame Werte zurück, die von den Mitgliedstaaten in ihren eigenen Rechtsordnungen anerkannt und angewandt werden. 

Der Gerichtshof führt außerdem aus, dass es zu keiner Umgehung von Art. 7 EUV komme. Die beiden Verfahren verfolgen unterschiedliche Ziele und haben unterschiedliche Gegenstände. Insbesondere können nach Art. 7 EUV schwerwiegende und anhaltende Verletzungen eines der Grundwerte der Union oder die eindeutige Gefahr einer solchen Verletzung geahndet werden. Die angefochtene Verordnung ist hingegen nur auf Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit anwendbar, und auch nur dann, wenn hinreichende Gründe für die Feststellung vorliegen, dass die Verstöße Auswirkungen auf den Haushalt haben.

 

Umweltverbände sind klagebefugt und Thermofenster unter gewissen Bedingungen zulässig

Urteil vom 8. November 2022 (C-873/19)

Die Deutsche Umwelthilfe hat die Zulassung einer Software für bestimmte Fahrzeuge der Marke Volkswagen, die die Rückführung von Schadstoffen, insbesondere Stickoxid (NOx), verringert, vor einem deutschen Gericht angefochten. Das deutsche Gericht hat sich an den Gerichtshof gewandt, um zwei Fragen klären zu lassen:

1. Es fragt den Gerichtshof, ob dies mit dem Übereinkommen von Aarhus und dem in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vereinbar ist. Das deutsche Gericht führt aus, dass die Deutsche Umwelthilfe nach deutschem Recht keine Möglichkeit habe, eine Klage gegen die vom KBA erteilte Zulassung zu erheben, weil die EU-Verordnung, auf die sie sich berufe, nicht dem Individualschutz einzelner Bürger diene.

  • In seinem Urteil vom 8. November 2022 entschied der Gerichtshof, dass nach dem Übereinkommen von Aarhus in Verbindung mit der Charta, einer Umweltvereinigung, die zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigt ist, nicht die Möglichkeit genommen werden darf, die Einhaltung bestimmter unionsrechtlicher Vorschriften im Bereich des Umweltschutzes von den nationalen Gerichten überprüfen zu lassen. 
  • Eine solche Umweltvereinigung muss daher die Zulassung von Abschalteinrichtungen vor Gericht anfechten können.

2. Das deutsche Gericht fragt außerdem, ob die „Notwendigkeit“ des „Thermofensters“, die dessen Verwendung zum Schutz des Motors oder zur Gewährleistung des sicheren Betriebs des Fahrzeugs ausnahmsweise rechtfertigen würde, anhand des aktuellen Standes der Technik im Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung zu beurteilen ist oder ob weitere Umstände zu berücksichtigen sind.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass eine Abschalteinrichtung wie ein „Thermofenster“ ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Sie muss ausschließlich notwendig sein, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden;
  • die Risiken müssen so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen;
  • zum Zeitpunkt der Zulassung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs besteht keine andere technische Lösung, mit der sich diese Risiken abwenden lassen.
  • Schließlich ist, selbst wenn diese Notwendigkeit nachgewiesen ist, die Abschalteinrichtung auf jeden Fall zu verbieten, wenn sie so konstruiert ist, dass sie unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres aktiviert ist. Denn in diesem Fall käme die Ausnahme öfter zur Anwendung als das Verbot, was zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Grundsatzes der Begrenzung der NOx-Emissionen führen würde.

 

Recht auf Vergessenwerden versus Recht auf Information 

Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-460/20)

Der Rechtsstreit betraf zwei Geschäftsführer einer Gruppe von Investmentgesellschaften, die Google aufgefordert hatten, aus den Ergebnissen einer anhand ihrer Namen durchgeführten Suche die Links zu bestimmten Artikeln auszulisten, die das Anlagemodell dieser Gruppe kritisch darstellten. Sie machten geltend, dass diese Artikel unrichtige Behauptungen enthielten. Außerdem forderten sie, dass die Fotos von ihnen, die in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) ohne Kontext angezeigt werden, in der Übersicht dieser Ergebnisse gelöscht werden. Google lehnte dies ab und wies darauf hin, dass diese Artikel und Fotos in einem beruflichen Kontext stünden und dass nicht klar gewesen sei, ob die dort enthaltenen Informationen unrichtig seien.

Der mit dem Rechtsstreit befasste Bundesgerichtshof hat den EuGH darum ersucht, die DSGVO im Licht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auszulegen. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass das Recht auf Schutz der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten im Allgemeinen gegenüber dem berechtigten Interesse der Internetnutzer an Zugang zu der Information überwiegt. Wie der Ausgleich vorzunehmen ist, hängt aber davon ab, um welche Art von Information es sich handelt und wie sensibel diese für das Privatleben der betroffenen Person ist. Auch auf das Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information kommt es an. Dieses Interesse kann je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren.

Allerdings kann das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information dann nicht berücksichtigt werden, wenn zumindest ein (nicht unbedeutender) Teil der in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig ist.

Wird eine Auslistung gefordert, obliegen dem Betreiber der Suchmaschine bestimmte Verpflichtungen:

  • Er muss prüfen, ob ein Inhalt in der Ergebnisübersicht der über seine Suchmaschine durchgeführten Suche verbleiben kann. Werden mit dem Antrag hinreichende Nachweise vorgelegt, muss der Betreiber dem Antrag nachkommen.
  • Ergibt sich aus dem Antrag nicht offensichtlich, dass die Informationen unrichtig sind, ist der Betreiber nicht zur Löschung verpflichtet. In diesem Fall muss sich der Antragsteller aber an die Datenschutz- Kontrollstelle oder das Gericht wenden können, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Betreiber gegebenenfalls anweisen, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen.
  • Er muss die Internetnutzer darüber informieren, dass es ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gibt, um die Frage zu klären, ob ein Inhalt unrichtig ist.
  • Er muss überprüfen, ob die Anzeige der Fotos in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben. Die Anzeige von Fotos einer Person ist ein besonders starker Eingriff in deren Privatleben. Dass dieser Zugang zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beiträgt, ist ein entscheidender Gesichtspunkt, der bei der Abwägung mit anderen Grundrechten zu berücksichtigen ist.

 

Ukrainekrieg: gegen pro-russische Medien verhängtes Sendeverbot und Meinungsäußerungsfreiheit 

Urteil RT France/Rat vom 27. Juli 2022 (T-125/22)

RT France erhob am 8. März 2022 eine Klage beim EuG auf Nichtigerklärung des Beschlusses vom 01. März 2022 des Rates der Europäischen Union. Darin wurde beschlossen, Sendetätigkeiten bestimmter Medien in der Union oder solcher an die Union gerichteter Tätigkeiten zu verbieten, um russische Propagandaaktionen zu unterbinden. Bei dem Kläger RT France handelt es sich um einen aus dem russischen Staatshaushalt finanzierten TV-Sender.

In Anbetracht der Bedeutung und Dringlichkeit der Rechtssache hat das Gericht als Große Kammer (15 Richter) von Amts wegen zum ersten Mal das beschleunigte Verfahren durchgeführt, so dass es in weniger als fünf Monaten entscheiden konnte.

In seinem Urteil vom 27. Juli 2022 weist das Gericht die Klage in vollem Umfang ab. Das Urteil beruht auf drei Haupterwägungen:

  • Der Rat verfügt bei der Festlegung restriktiver Maßnahmen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik über einen großen Spielraum. Er kann ein befristetes Sendeverbot für Inhalte bestimmter aus dem russischen Staatshaushalt finanzierter Medien aussprechen, wenn diese Medien die militärische Aggression Russlands unterstützen. Die einheitliche Umsetzung eines derartigen Verbots lässt sich besser auf Unionsebene als auf nationaler Ebene verwirklichen.
  • Das Sendeverbot, das beschlossen wurde, ohne RT France vorher anzuhören, stellt keine Verletzung der Verteidigungsrechte dar. Der außergewöhnliche Kontext extremer Dringlichkeit – der Beginn eines Krieges an den Grenzen der Union – erforderte eine rasche Reaktion. Die unverzügliche Umsetzung der Maßnahmen, mit denen ein Propagandainstrument zugunsten der militärischen Aggression verboten wird, war unabdingbar, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten.
  • Die Freiheit der Meinungsäußerung gehört zu den tragenden Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft. Sie gilt nicht nur für günstig aufgenommene oder als unschädlich angesehene Ideen, sondern auch für solche, die verletzen, schockieren oder beunruhigen. Dies ergibt sich aus den Erfordernissen von Pluralismus, Toleranz und Aufgeschlossenheit, ohne die es keine demokratische Gesellschaft gibt. Allerdings kann es sich in demokratischen Gesellschaften als nötig erweisen, Ausdrucksformen zu ahnden, mit denen, beruhend auf Intoleranz sowie der Anwendung und Verherrlichung von Gewalt, Hass propagiert, gerechtfertigt oder gefördert wird.

Das gegen RT France ausgesprochene Verbot verfolgt dieses Ziel. Es soll die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Union schützen, die durch die systematische Propagandakampagne Russland bedroht wird, und Druck auf die russischen Behörden ausüben, damit sie den militärischen Angriff beenden. 

Dieses Verbot ist auch verhältnismäßig, da es im Hinblick auf die verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Es liegen genügend konkrete, genaue und übereinstimmende Indizien dafür vor, dass RT France die von der Russischen Föderation verfolgte destabilisierende und aggressive Politik gegenüber der Ukraine, die letztlich zu einer großangelegten militärischen Offensive führte, aktiv unterstützte. RT France hat nichts vorgelegt, was belegen könnte, dass dieser Sender insgesamt gesehen eine ausgeglichene Berichterstattung über den laufenden Krieg geführt hat, die im Einklang mit den „Pflichten und Verantwortlichkeiten“ audiovisueller Medien stand.

Beim Gericht ist eine große Anzahl von Rechtssachen anhängig, die Sanktionen betreffen. Dabei geht es insbesondere um Sanktionen im Kontext von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, wegen der Lage in Syrien und Belarus und gegen die Demokratische Republik Kongo.

 

Rekordgeldbuße von 4,125 Mrd. Euro für Google wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens bestätigt 

Urteil vom 14. September 2022 (T-604/18)

Die Kommission leitete, nachdem bei ihr verschiedene Beschwerden eingegangen waren, 2015 ein Verfahren gegen Google ein. Die Kommission verhängte 2018 die höchste Geldbuße, die in Europa von einer Wettbewerbsbehörde verhängt wurde, in Höhe von 4,343 Mrd. Euro. Grund dafür war, dass Google Herstellern von Android-Mobilgeräten und Betreibern von Mobilfunknetzen rechtswidrige Beschränkungen auferlegt hatte. Dies bedeutete für die Hersteller von Mobilgeräten, dass sie

  • Google Search und Chrome vorinstallieren mussten, um die Lizenz für die Nutzung von Play Store zu erhalten;
  • keine Geräte verkaufen durften, die mit nicht von Google zugelassenen Versionen von Android ausgestattet sind;
  • keinen konkurrierenden Suchdienst vorinstallieren durften, um einen Teil der Werbeeinnahmen erhalten zu können.

Nach Ansicht der Kommission wurde mit diesen Beschränkungen das Ziel verfolgt, die beherrschende Stellung des Suchdiensts von Google zu festigen und damit seine Einnahmen aus Werbeanzeigen im Zusammenhang mit diesen Suchen zu schützen.

In der Rechtssache umfassten die Akten über 100.000 Seiten. In der mündlichen Verhandlung waren 72 Anwälte und Vertreter von 13 Beteiligten anwesend. Die mündliche Verhandlung erstreckte sich über fünf Tage.

Das Gericht hat in seinem Urteil den Beschluss weitgehend bestätigt und die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Es hat allerdings festgestellt, dass die Kommission nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass bestimmte Verhaltensweisen von Google geeignet waren, den Wettbewerb einzuschränken, und dass sie Google die Gelegenheit, in einer Anhörung dazu Stellung zu nehmen, nicht hätte verweigern dürfen. Nach einer Würdigung aller Umstände setzte das Gericht die verhängte Geldbuße auf 4,125 Mrd. Euro herab.

In einer anderen Rechtssache (Urteil „Qualcomm/Kommission“ vom 15. Juni 2022 (T-235/18)), in der es um den Missbrauch einer beherrschenden Stellung ging, hat das Gericht den Beschluss der Kommission, mit dem eine Geldbuße von rund 1 Mrd. Euro gegen Qualcomm wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für LTE-Chipsätze verhängt wurde, für nichtig erklärt. Das Gericht hatte festgestellt, dass die Verteidigungsrechte von Qualcomm durch mehrere Verfahrensfehler beeinträchtigt worden waren. Außerdem hatte die Kommission bei ihrer Analyse der wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vereinbarungen nicht sämtliche relevanten Umstände berücksichtigt.

Rückblick auf weitere wichtige Urteile 

Umwelt

  • Mit Urteil vom 12. Mai 2022 „Kommission/Italien (NO2-Grenzwerte (C-573/19)“ hat der Gerichtshof einer Klage der Kommission stattgegeben und festgestellt, dass Italien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 2008/50 verstoßen hat, dass es nicht dafür gesorgt hat, dass die systematische und anhaltende Überschreitung der Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid vermieden wird. Italien hat ferner dadurch gegen seine Verpflichtungen verstoßen, dass es nicht ab dem 11. Juni 2010 Maßnahmen – wie z. B. besser angepasste Luftqualitätspläne oder zusätzlich gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen – ergriffen hat, um in den betroffenen Gebieten die Einhaltung der Jahresgrenzwerte für NO2 zu gewährleisten.
  • Im Urteil „London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association“ vom 20. Juni 2022 (C-700/20) hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Urteil eines britischen Gerichts, mit dem ein Schiedsspruch bestätigt wurde, der in einem im Vereinigten Königreich eingeleiteten Schiedsverfahren ergangen war, der Anerkennung eines spanischen Urteils, mit dem ein Versicherer zum Ersatz der Schäden verurteilt wurde, nicht entgegenstehen kann.

Energie

  • Das Gericht hat im Urteil „Österreich/Kommission“ vom 30. November 2022 (T-101/18) entschieden, dass die von der Kommission vorgenommene Analyse, anhand derer die Vereinbarkeit der gewährten Investitionsbeihilfe für die Entwicklung zweier im Bau befindlicher Kernreaktoren auf dem Gelände des Kernkraftwerks Paks mit dem Unionsrecht festgestellt wurde, zutreffend und vollständig war.
  • Die ungarische Regulierungsbehörde (MEKH) und ein ungarischer Gasfernleitungsnetzbetreiber (FGSZ) klagten beim Gericht, das die Bestimmungen der Verordnung 2017/459 über das Verfahren zur Schaffung neuer Kapazität für den Gastransport für nicht anwendbar erklärt hat. Da die Energieregulierungsbehörde (ACER) somit nicht zuständig war, hat das Gericht im Urteil „MEKH und FGSZ/ACER“ vom 16. März 2022 (verbundene Rechtssachen T-684/19 und T-704/19) ihre Genehmigungsentscheidung für nichtig erklärt.

Verbraucher

  • Der Gerichtshof hat im Urteil „CTS Eventim“ vom 31. März 2022 (C-96/21) festgestellt, dass der Ausschluss des (sonst üblichen 14 tätigen) Widerrufsrechts auch dann greift, wenn Konzertkarten online bei einem Ticketsystemdienstleister gekauft werden, sofern der Veranstalter des Konzerts das wirtschaftliche Risiko trägt.
  • Der Gerichtshof hat im Urteil „United Airlines“ vom 7. April 2022 (C-561/20) entschieden, dass ein Nicht-EU-Luftfartunternehmen (hier United Airlines), das mit den Fluggästen keinen Beförderungsvertrag geschlossen, den Flug aber durchgeführt hat, die Ausgleichsleistung für Fluggäste bei erheblicher Verspätung des Flugs schulden kann.
  • Der Gerichtshof entschied im Urteil „LOT“ (von einer Verwaltungsbehörde auferlegter Ausgleich) vom 29. September 2022 (C-597/20), dass die für die Durchsetzung der Verordnung zuständige ungarische Behörde auf individuelle Beschwerden hin ein Luftfahrtunternehmen verpflichten kann, den Fluggästen einen Ausgleich zu leisten, wenn der betreffende Mitgliedstaat ihr die entsprechende Befugnis zugewiesen hat.
  • Der Gerichtshof hat in dem Urteil „Get Fresh Cosmetics“ vom 2. Juni 2022 (C-122/21) entschieden, dass ein Mitgliedstaat unter bestimmten Voraussetzungen den Vertrieb von kosmetischen Mitteln, die wegen ihres Erscheinungsbilds mit Lebensmitteln verwechselt werden und Gefahren für die Gesundheit nach sich ziehen können, einschränken kann, da das Interesse am Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Verbraucher dem Recht auf Vermarktung bestimmter kosmetischer Mittel vorgehen kann.

Gleichbehandlung

  • Der Gerichtshof hat in dem Urteil TGSS (Arbeitslosigkeit von Hausangestellten) vom 24. Februar 2022 (C-389/20) eine nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in spanischen Regelungen über Sozialversicherungsleistungen von Hausangestellten festgestellt. Die Regelung betraf faktisch hauptsächlich Frauen und sah keinen Schutz bei Arbeitslosigkeit dieser vor. 
  • Der Gerichtshof hat in dem Urteil Luso Temp vom 12. Mai 2022 (C-426/20) eine Benachteiligung durch portugiesische Spezialregelungen zur Berechnung der Höhe des Urlaubsgeldes und von Abgeltungsansprüchen bei Leiharbeitern festgestellt. Leiharbeiter und direkt angestellte Mitarbeiter müssen insoweit gleich behandelt werden.
  • Der Gerichtshof hat in dem Urteil S.C.R.L. (Kleidungsstück mit religiösem Bezug) vom 13. Oktober 2022 (C-344/20) entschieden, dass eine interne Regel eines privaten Unternehmens, mit der am Arbeitsplatz jede Bekundung religiöser, weltanschaulicher oder politischer Überzeugungen verboten wird, keine unmittelbare Diskriminierung begründet. Voraussetzung ist jedoch, dass sie allgemein und unterschiedslos auf alle Arbeitnehmer angewandt wird und auch nicht tatsächlich dazu führt, dass bestimmte Personen benachteiligt werden. Hintergrund war ein vor einem Brüsseler Arbeitsgericht anhängiges Verfahren, in dem eine Bewerberin aufgrund der Aussage, sie würde ihr Kopftuch im Arbeitsalltag nicht abnehmen wollen, nicht im Bewerbungsprozess berücksichtigt wurde.
  • Der Gerichtshof hat in dem Urteil Ministerio dell´Interno (Altersgrenze für die Einstellung von Polizeikommissaren) vom 17. November 2022 (C-304/21) eine Ungleichbehandlung wegen des Alters in einer italienischen Regelung festgestellt, die eine Höchstaltersgrenze von 30 Jahren für die Zulassung zum Auswahlverfahren für Polizeikommissare vorsah. Die Prüfung, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, überließ der Gerichtshof jedoch dem nationalen Gericht.
  • Der Gerichtshof hat in dem Urteil HK/Danmark und HK/Privat vom 2. Juni 2022 (C-587/20) entschieden, dass eine in der Satzung einer Arbeitnehmerorganisation für die Wählbarkeit in das Amt des Vorsitzenden vorgesehene Altersgrenze in den Geltungsbereich der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf fällt. Hintergrund war ein vor einem dänischen Gericht anhängiges Verfahren.

 Familie

  • Der Gerichtshof entschied im Urteil CC (Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in einen Drittstaat) vom 14. Juli 2022 (C-572/21), dass das Gericht eines Mitgliedstaats seine Zuständigkeit, gemäß der „Brüssel-IIa-Verordnung“ über das Sorgerecht für Kinder zu entscheiden, nicht behält, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des betreffenden Kindes im Lauf des Verfahrens rechtmäßig in das Hoheitsgebiet eines Drittstaats verlegt worden ist, der Vertragspartei des Haager Übereinkommens von 1996 ist.
  • Der Gerichtshof entschied im Urteil Familienkasse Niedersachsen-Bremen vom 1. August 2022 (C-411/20), dass eine verbotene Diskriminierung vorliegt, wenn die Zahlung von Familienleistungen für Unionsbürger, die ihren Aufenthalt in Deutschland nehmen, von dem Bezug „inländischer Einkünfte“ abhängig gemacht wird. Grund dafür ist, dass eine solche Voraussetzung für Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die nach Deutschland zurückkehren, gerade nicht gilt.
  • Der Gerichtshof entschied im Urteil Kommission/Österreich vom 16. Juni 2022 (C-328/20), dass ein österreichischer Anpassungsmechanismus, der bezüglich der Berechnung der Pauschalbeträge der Familienbeihilfe und verschiedener Steuervergünstigungen auf den Wohnstaat der Kinder der Arbeitnehmer abstellt, gegen das Unionsrecht verstößt. Er begründet eine ungerechtfertigte mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit von Wanderarbeitnehmern.

Personenbezogene Daten

  • Der Gerichtshof entschied im Urteil Proximus (Öffentliche elektronische Telefonverzeichnisse) vom 27. Oktober 2022 (C-129/21) über die Verpflichtungen von Telekommunikationsdienstleistern im Zusammenhang mit dem Widerruf der Einwilligung in die Aufnahme in öffentlich zugängliche Informationslisten. Der Dienstleister muss in diesem Fall geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um die anderen Verantwortlichen, die ihm diese Daten übermittelt haben bzw. denen er die Daten weitergeleitet hat, über den Widerruf der Einwilligung zu informieren. Er ist außerdem verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Internet- Suchmaschinenanbieter über einen Löschungsantrag der betroffenen Person zu informieren.
  • Der Gerichtshof entschied im Urteil SpaceNet u.a. vom 20. September 2022 (verbundene Rechtssache C-739/19 und C-794/19) erneut zur deutschen Vorratsspeicherung. Die allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ist nur bei einer ernsten und aktuellen Bedrohung der nationalen Sicherheit, insbesondere bei einer terroristischen Bedrohung, zulässig.
  • Der Gerichtshof setze sich im Urteil Ligue des droits humains vom 21. Juni 2022 (C-817/19) mit der Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien (u.a. die PNR-Richtlinie) in belgisches Recht auseinander. In Rede stand eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten. Der Gerichtshof setzte hier strenge Maßstäbe fest. Es ist erforderlich, dass reale und aktuelle oder vorhersehbare terroristische Bedrohungen bestehen, um PNR-Daten für EU-Flüge und anderweitige Beförderungen innerhalb der Union zu übermitteln und zu verarbeiten.
  • Der Gerichtshof erteilte in seinem Urteil VD und SR vom 20. September (verbundene Rechtssache C-339/20 und C-397/20) Regelungen zur französischen Vorratsdatenspeicherung eine Absage. Er entschied, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, insbesondere von Insidergeschäften, europarechtlich unzulässig ist.

 

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

  • Die Auswirkungen der Migrationskrise beschäftigten den Gerichtshof in dem Urteil Landespolizeidirektion Steiermark u.a. (Höchstdauer von Kontrollen an den Binnengrenzen) vom 26. April 2022 (C-368/20). Er entschied, dass ein Mitgliedstaat im Fall einer ernsthaften Bedrohung seiner öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit, Kontrollen an seinen Grenzen zu anderen Mitgliedstaaten wieder einführen kann. Allerdings ist dies auf eine Gesamthöchstdauer von sechs Monaten beschränkt. Hintergrund war, dass Österreich im September 2015 an seinen Grenzen zu Ungarn und Slowenien wieder Kontrollen eingeführt hatte.
  • Der Gerichtshof entschied im Urteil Procureur général près la cour d’appel d’Angers vom 14. Juli 2022 (C-168/21) zum europäischen Haftbefehl. Hauptfeststellung des Urteils ist, dass für eine Vollstreckung des Haftbefehls eine exakte Übereinstimmung der Tatbestandsmerkmale der betreffenden Straftat im Ausstellungs- und im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht erforderlich ist. Hintergrund war, dass ein französisches Berufungsgericht die Übergabe eines in Frankreich wohnhaften italienischen Staatsangehörigen an die italienischen Behörden mit der Begründung abgelehnt hatte, dass zwei der dem Haftbefehl zugrunde liegenden Handlungen in Frankreich keine Straftat darstellten.
  • In dem Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Abschiebung – Medizinisches Cannabis) vom 22. November 2022 (C-69/21) hatte sich der Gerichtshof mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das Unionsrecht dem Erlass einer Rückkehrentscheidung oder einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Fall einer im Drittstaat nicht verfügbaren (Cannabis-)Behandlung entgegensteht. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass das Unionsrecht dem entgegensteht, wenn ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme bestehen, dass die Rückkehr dieser Person sie aufgrund der Nichtverfügbarkeit einer angemessenen Versorgung zur Schmerzbekämpfung im Zielland der tatsächlichen Gefahr einer erheblichen, unumkehrbaren und raschen Zunahme der durch seine Krankheit verursachten Schmerzen aussetzen würde, was gegen die Menschenwürde verstoßen würde.
  • Im Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Ablehnung des Aufnahmegesuchs eines ägyptischen unbegleiteten Minderjährigen) vom 1. August 2022 (C-19/21) ging es um die Frage, ob gegen eine ablehnende Entscheidung eines Aufnahmegesuchs zur Familienzusammenführung, dem Betroffenen (hier unbegleiteten Minderjährigen) ein Rechtsbehelf zusteht. Nach dem Gerichtshof ergibt sich das Recht auf einen solchen aus der Dublin-III-Verordnung in Verbindung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Seerettung

Der Gerichtshof legte im Urteil Sea Watch vom 1. August 2022 (verbundene Rechtssache C-14/21 und C-15/21) den Umfang der Kontroll- und Festhaltebefugnisse des Hafenstaats in Bezug auf Schiffe fest, die von humanitären Organisationen betrieben werden. Der Hafenstaat darf diese Schiffe zwar grds. einer Überprüfung unterziehen, festhalten darf er die Schiffe jedoch nur bei (nachzuweisender) offensichtlicher Gefahr für die Sicherheit, die Gesundheit oder die Umwelt.

Zugang zu Dokumenten

Das Gericht entschied im Urteil Agrofert/Parlament vom 28. September 2022 (T-174/21) zum Anspruch auf Zugang zu Dokumenten, die dem Europäischen Parlament bei seiner feststellenden Entschließung, dass Herr Andrej Babiš, der von 2017 bis 2021 Premierminister der Tschechischen Republik war, auch nach seiner Ernennung weiterhin den von ihm gegründeten Agrofert-Konzern kontrolliere. In der Sache lehnte es das Ersuchen ab, da die Verbreitung eines im Zuge dessen angeforderten Schreibens das Ziel der Prüftätigkeiten der Kommission beeinträchtigen konnte.

Wettbewerb und staatliche Beihilfe

  • Das Gericht hat mit seinem Urteil Intel Corporation/Kommission vom 26. Januar 2022 (T-286/09 RENV) eine von der Kommission im Jahre 2009 gegen Intel wegen missbräuchlicher Ausnutzung der beherrschenden Stellung auf dem Weltmarkt für Prozessoren verhängte Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro für nichtig erklärt. Grund für die Nichtigkeit ist eine unvollständige Analyse der Kommission hinsichtlich der konkreten Wettbewerbsbeschränkung der damals von Intel gewährten Rabatte. Zwar führte dies in der Sache nur zu einer Teilnichtigkeit der Erklärung, allerdings konnte das Gericht den darauf entfallenden Teil der Geldbuße nicht ermitteln und hob diese daher vollständig auf.
  • Das Gericht bestätigte in seinem Urteil Scania u.a./Kommission vom 2. Februar 2022 (T-799/17) die von der Kommission im Zusammenhang mit den Kartellen auf dem Markt für mittlere und schwere LKW verhängte Geldbuße gegen die Scania-Gruppe.
  • Das Gericht bestätigte in seinem Urteil Wizz Air Hungary/Kommission vom 4. Mai 2022 (T-718/20) die Genehmigung der Rettungsbeihilfe Rumäniens zugunsten der rumänischen Fluggesellschaft TAROM durch die Kommission. Die Beihilfe diene der Vermeidung der sozialen Härte, zu denen eine Unterbrechung der Dienste der rumänischen Fluggesellschaft angesichts des schlechten Zustands der rumänischen Straßen- und Schieneninfrastruktur führen könnte.
  • Im Urteil Kommission/Valencia Club de Futbol vom 10. November 2022 (C-211/20 P) bestätigte der Gerichtshof ein Urteil des Gerichts aus dem Jahr 2020, welches die Feststellung der Kommission hinsichtlich einer europarechtswidrigen Beihilfe an den Fundación Valencia, einer mit dem Fußballverein FC Valencia in Verbindung stehenden Vereinigung, aufhob.

Geistiges Eigentum

  • Im Urteil Kommission/Dänemark vom 14. Juli 2022 (C-159/20) durfte sich der Gerichtshof mit der geschützten Ursprungbezeichnung (g.U.) „Feta“ befassen. Er hat festgestellt, dass Dänemark gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, die Verwendung der Bezeichnung „Feta“ entgegen der g.U. zu untersagen. Dänemark hatte die Auffassung vertreten, dass für Käse, der zur Ausfuhr in Drittländer bestimmt ist, die Anforderungen der g.U. nicht gelten würden.
  • Das Gericht entschied im Urteil Govern d'Andorra / EUIPO (Andorra) vom 23. Februar 2022 (T-806/19), dass das von der Regierung des Fürstentums Andorra als Unionsmarke angemeldete Bildzeichen „Andorra“ beschreibenden Charakter hat. Da es sich dabei um ein absolutes Eintragungshindernis handelt, ist die Marke nicht eintragungsfähig.
  • Das Gericht bestätigte in dem Urteil Apple/EUIPO – Swatch (Think different) vom 8. Juni 2022 (verbundene Rechtssache T-26/21, T-27/21 und T-28/21) die Entscheidung des EUIPO, die Marke „THINK DIFFERENT“ sei verfallen. Nach dem Gericht sei Apple die ernsthafte Benutzung der Marken für die betreffenden Waren in den fünf Jahren vor dem Tag der Einreichung der Anträge auf Verfallserklärung nicht gelungen.
  • Das Gericht bestätigte in dem Urteil Les Éditions P. Amaury / EUIPO - Golden Balls (BALLON D’OR) vom 6. Juli 2022 (T-478/21) die Entscheidung des EUIPO hinsichtlich des Verfalls der Marke BALLON D’OR nur teilweise.

Steuern

Der Gerichtshof hat im Urteil Fiat Chrysler Finance Europe/ Kommission und Irland/Kommission vom 8. November 2022 (verbundene Rechtssache C-885/19 P und C-898/19 P) einen Beschluss der Kommission für nichtig erklärt, in dem bestimmte luxemburgische Steuervorbescheide als mit dem Binnenmarkt unvereinbare Betriebsbeihilfe im Sinne des Unionsrechts eingestuft wurden. Grund dafür ist, dass die Kommission einen anderen Fremdvergleichsgrundsatz angewandt hat als den im luxemburgischen Recht festgelegten, obwohl – mangels einer entsprechenden Harmonisierung im Unionsrecht – nur die nationalen Bestimmungen relevant sind.

Rechtsstaatlichkeit

Der Gerichtshof entschied im Urteil Getin Noble Bank vom 29. März 2022 (C-132/20) auf Vorlage des obersten Gerichts Polens, dass der bloße Umstand, dass ein Richter zu einem Zeitpunkt ernannt wurde, zu dem der Mitgliedstaat, dem er angehört, noch keine Demokratie war, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Richters bei der Ausübung seiner späteren richterlichen Funktionen nicht in Frage stellt.

Restriktive Maßnahmen und Außenpolitik

Im Urteil Prigozhin/Rat vom 1. Juni 2022 (T-723/20) bestätigte das Gericht die nach schweren Menschenrechtsverletzungen in Libyen durch den Rat der Europäischen Union im Oktober 2020 erlassenen Sanktionen (u.a. Einfrieren von Geldern) gegen Yevgeniy Viktorovich Prigozhin, einen russischen Geschäftsmann mit engen Beziehungen zur Wagner-Gruppe. Es sah ausreichend Beweise dafür, dass die Wagner-Gruppe den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität in Libyen bedrohe.

 

Den vollständigen Jahresbericht 2022 finden Sie hier zum Download.