Google und das Kartellrecht

Verstöße gegen das Kartellrecht in EU und USA

15.08.2024

Google und das Kartellrecht: Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr steht im Raum, dass Google - mit Sitz in den USA - Kartellrechtsverstöße begangen haben soll, sowohl in der EU als auch in den USA. 

Aber was ist überhaupt Kartellrecht?

Das Kartellrecht dient zur Regulierung der Wettbewerbschancen in einem bestimmten Marktraum. Geschützt werden sollen der freie Wettbewerb und Chancengleichheit, vor allem auch zwischen den großen Haien und den kleinen Fischen. Das Wettbewerbsrecht bzw. Kartellrecht statuiert dabei die Spielregeln, die für alle gelten - ein bisschen so wie bei dem Spiel "Monopoly". Die Regeln in der Anleitung dienen hier aber - anders als bei Monopoly - vor allem dazu, dass es gerade nicht zu den schlimmsten Folgen kommen kann. Werden diese Regeln gebrochen, kann es etwa zu horrenden Geldbußen kommen.

Fun-Fact

Wussten Sie, dass das Monopoly-Spiel auf die 1904 von Elizabeth Magie patentierte Vorlage "The Landlord's Game" zurückzuführen ist. Mit dem Brettspiel sollten eigentlich die Gefahren des monopolistischen Landbesitzes aufgezeigt werden.

Innerhalb der EU wird durch das europäische Kartellrecht der EU-Binnenmarkt geschützt. Regulative Grundlagen des europäischen Kartellrechts sind Artikel 101 und Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Art. 101 AEUV umfasst - grob zusammengefasst - marktverzerrende Abstimmungen, die gleiche Wettbewerbschancen unterlaufen würden und lautet:

  • "Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, [...]"

Und Art. 102 AEUV regelt - salopp gesagt - das "große Haie - kleine Fische"-Verhältnis und will den Missbrauch marktbeherrschender Macht vermeiden:

  • "Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. [...]"

Dass ein Regelverstoß finanziell wehtun kann, hat vor allem Google in der Vergangenheit bereits zu spüren bekommen. Im Juni 2017 verhängte die Europäische Kommission eine Geldbuße in Höhe von 2,42 Milliarden Euro gegen Google wegen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Google-Suchmaschine durch unzulässige Privilegierung des eigenen Preisvergleichsdienstes.

Im Jahr 2018 wurde Google sogar eine Rekordgeldbuße in Höhe von 4,34 Milliarden Euro von der Europäischen Kommission auferlegt, was später auch gerichtlich bestätigt wurde, wenn auch unter einer im Verhältnis geringen Minderung der Geldbuße auf 4,125 Milliarden Euro (Rechtssache T-604/18). Der Vorwurf lautete, dass Google mit seinem Betriebssystem Android Google seine Marktvorherrschaft missbrauche. 

Erst kürzlich, im Juni 2024, hat die Europäische Kommission Google von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt, indem es den Wettbewerb im Bereich der Technologien für Online-Werbung („Adtech“) verzerrt. Google begünstige seine eigenen Technologiedienste für Online-Display-Werbung zulasten konkurrierender Anbieter solcher Dienste sowie von Werbetreibenden und Online-Verlegern. Bei dieser vorläufigen Mitteilung handelt es sich um einen förmlichen Schritt der Untersuchungen der Kommission. Google hat noch die Möglichkeit rechtlichen Gehörs, also eine mündliche Anhörung zu erhalten bzw. die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben.

Was erwartet Google, wenn aber auch eine Anhörung zu keiner anderen Schlussfolgerung führt?

Die Europäische Kommission kann per Beschluss die Zuwiderhandlung untersagen, Abhilfemaßnahmen festlegen und zudem eine Geldbuße von bis zu 10 % des weltweiten Jahresumsatzes verhängen. Damit droht wieder einmal eine Rekordbuße, insbesondere wenn man den weltweiten Jahresumsatz von Google allein für das Jahr 2023 in den Blick nimmt. 

Google Jahresumsatz 2023


Eine weitere Niederlage hat Google nun auch in den USA erfahren müssen. Das Bundesgericht United States District Court of Columbia mit Sitz in Washington D.C., welches primär für Streitigkeiten zuständig ist, bei denen die Bundesregierung als Kläger oder Beklagter auftritt, hat am 5. August 2024 gegen Google in einem 286 Seiten langen Urteil Recht gesprochen. Richter Amit P. Mehta stellte in seinem Urteil fest, dass Google gegen § 2 des Sherman Antitrust Acts verstoßen hat, und zwar durch die Aufrechterhaltung seines Monopols bzw. seiner marktbeherrschenden Stellung auf zwei Produktmärkten in den Vereinigten Staaten - nämlich betreffend allgemeine Suchdienste und allgemeine Textwerbung - und dies durch seine exklusiven Vertriebsvereinbarungen mit anderen Big Tech Unternehmen. 

Ein zentraler Punkt war die Vereinbarung zwischen Google und Apple, durch die Google zur Standardsuchmaschine auf Apple-Geräten wurde. Allein in 2021 hat Google 26.3 Milliarden US-Dollar an andere Plattformen wie z.B. Apple bezahlt, damit Google die erste Suchmaschine ist, die aufgerufen wird. 

In den USA regelt der Sherman Antitrust Act vom 2. Juli 1890 das US-amerikanische Wettbewerbsrecht als historisch dort erste Rechtsquelle des Kartellrechts. Die Übersetzung von § 2 des Sherman Antitrust Acts lautet dabei:

  • "Jede Person, die einen Teil des Handels zwischen den einzelnen Staaten oder mit ausländischen Nationen monopolisiert oder zu monopolisieren versucht oder sich mit einer anderen Person oder Personen zusammenschließt oder verschwört, um einen Teil des Handels zu monopolisieren, wird eines Vergehens für schuldig befunden [...]."

Google hat also seine sog. "monopoly power" missbraucht, soweit es um die Suchmaschine und um Werbung geht. Die konkreten Sanktionen für den Verstoß stehen noch aus. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Unternehmensauflösung kommen, wovon aber derzeit nicht ausgegangen wird. Google beabsichtigt Berufung gegen das Urteil einzulegen.

EU und USA gleichen sich an

Das US-Gericht ist damit zu einem vergleichbaren Schluss gekommen wie bereits im Zuge der EU-Geldbußen gegen Google im Jahr 2017 und 2018 festgestellt wurde. Die Wertungen des US-Kartellrechts und des EU-Kartellrechts nähern sich einander an. Auch mit Blick auf das europäische Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act), welches seit Mai 2023 gilt und das Wettbewerbsrecht ergänzt, in dem es die "monopoly power" marktbeherrschender Digitalkonzerne begrenzt, zeichnet sich eine Entwicklung ab, nach der Big Tech Unternehmen auf internationaler Ebene immer mehr ein Riegel vorgeschoben wird, mit dem Ziel, dass auch noch alle anderen mitspielen können und überhaupt eine Chance haben. Die Stärkung des Kartellrechts vermeidet damit zusehends die Gefahren, die bestimmt einige von uns leidvoll aus dem Spiel "Monopoly" kennen. Ob diese Entwicklungen reichen, ist eine andere Frage.