Das Jahr 2022 markiert das 10-jährige Jubiläum der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union. In der Begründung des Nobelpreis-Komitees aus Oslo hieß es damals:
„Die [Europäische] Union und ihre Vorgänger haben über sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung beigetragen. Seit 1945 ist diese Versöhnung Wirklichkeit geworden. […] Das Norwegische Nobelkomitee wünscht den Blick auf das zu lenken, was es als wichtigste Errungenschaft der EU sieht: den erfolgreichen Kampf für Frieden und Versöhnung und für Demokratie sowie die Menschenrechte; die stabilisierende Rolle der EU bei der Verwandlung Europas von einem Kontinent der Kriege zu einem des Friedens.“
Eigentlich ein Grund zu feiern, oder? Aber das Grundgerüst der Versöhnung und des Friedens in Europa scheint zutiefst erschüttert – und das nicht erst seitdem im Februar 2022 Russland die Ukraine angegriffen hat und wieder ein aktiver Krieg auf dem europäischen Kontinent stattfindet. Unweigerlich stellte sich für so uns die Frage gestellt: kann Europa noch friedensstiftend wirken? Und wenn ja, wie?
Bei einer Abendveranstaltung gingen wir zusammen mit Staatsrätin Almut Möller, der Politikwissenschaftlerin Dr. Nele-Marianne Ewers-Peters und ZEIT-Journalisten Dr. Jochen Bittner. Anna Lührmann, Staatsministerin für Europa im Auswärtigen Amt, begrüßte per Videobotschaft.
Almut Möller, Staatsrätin und Bevollmächtigte für Europa, sah den Friedenspreis als eine Ermahnung in einer innenpolitischen Krisenzeit der Union. Heute muss wieder für eine aktive Friedenspolitik eingetreten werden: „Die Frage von Krieg und Frieden ist eine, die uns vor Ort betrifft. Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir uns diese gesellschaftliche Debatte nicht leicht machen und unterschiedliche Perspektiven auf das Friedensprojekt Europa richten. […] Wir haben das Gefühl dafür verloren, dass wir täglich etwas für die Sicherheit in Europa und in Deutschland tun müssen.“
Von einer soft power zu einer hard power?
Dr. Nele-Marianne Ewers-Peters, Politikwissenschaftlerin an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, und Dr. Jochen Bittner, Leiter "Streit" bei "Die Zeit", ehemaliger Korrespondent für die EU und die NATO, diskutierten Chancen und die Notwendigkeit einer handlungsfähigen Friedensmacht EU. Bittner sprach von einer „erlernten Hilflosigkeit“, die EU sei daran gewöhnt, dass Verteidigung von außen sichergestellt wird. „Diplomatie ist schön und gut. Aber sie muss mit militärischer und wirtschaftlicher Stärke einhergehen. Die EU braucht Drohpotenzial“. Ewers-Peters sieht im Ukrainekrieg einen Weckruf. Europa müsse sich jetzt die Frage stellen, was für die Sicherheit getan werden muss. Beide sehen Chancen für verstärkte Kooperation, auch einzelner, williger Staaten. Einig waren sie sich, dass die EU aus verschiedenen Gründen, unter denen die Einstimmigkeitserfordernisse zentral wären, als außen- und sicherheitspolitischer Akteur nur eine geringe Wirksamkeit besitzt und europäische Sicherheit im wesentlichen durch die NATO gesichert würde. Bittner fragte überspitzt, ob nicht eigentlich die NATO den Friedensnobelpreis verdient hätte.
Schulveranstaltung
Vormittags diskutierten bereits Schülerinnen und Schüler zusammen mit Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft Krieg und Frieden in Europa. Viele bewegte die Angst vor Krieg sowie den Folgen der Klimakrise und der Umgang mit den Flüchtlingen in Deutschland und Europa. Wie passt das ins Bild einer Friedensmacht? Der Workshop wurde von planpolitik durchgeführt.