EuGH-Urteil kann neuen Asylantrag rechtfertigen

Entscheidung betrifft insbesondere denjenigen, die zuvor nur eingeschränkten Schutz erhalten hatten

15.02.2024

Im Jahr 2020 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem wegweisenden Fall, dass syrische Kriegsdienstverweigerer möglicherweise als politisch verfolgt anzuerkennen sind (Urt. 19.11.2020, Az. C-238/19). Diese Entscheidung könnte nach der neusten Entscheidung des EuGH auch Auswirkungen auf Asylanträge haben, die bereits vor diesem Urteil abgeschlossen wurden. 

Personen, die zuvor nur subsidiären Schutz gemäß §4 des deutschen Asylgesetzes erhalten hatten, könnten nun berechtigt sein, die Flüchtlingseigenschaft gemäß §3 zu beantragen, insbesondere wenn sie begründete Sorge haben, im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland zum Militärdienst eingezogen oder verhaftet zu werden. Die Entscheidung des EuGH betrifft insbesondere denjenigen, die während der Hochphase des syrischen Bürgerkriegs zwischen 2011 und 2016 geflohen waren und zuvor nur eingeschränkten Schutz erhalten hatten.

Der konkrete Fall verdeutlicht die Problematik:

Ein Mann, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Jahr 2017 nur subsidiären Schutz gewährt hatte, stellte nach dem EuGH-Urteil von 2020 einen erneuten Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Allerdings ist die Einreichung eines solchen Asylfolgeantrags nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, insbesondere wenn sich die Sach- oder Rechtslage seit dem letzten Bescheid wesentlich geändert hat. Die Frage, ob eine EuGH-Entscheidung eine solche veränderte Sachlage begründet, war Gegenstand von mehreren Gerichtsverfahren und wurde dem EuGH schließlich vom Verwaltungsgericht Sigmaringen vorgelegt.

Der EuGH entschied nun, dass seine Entscheidungen durchaus eine Neubewertung von Asylanträgen rechtfertigen können (Urt. v. 08.02.2024, Az. C-216/22). Dabei spielt es keine Rolle, ob das Urteil eine nationale Rechtsvorschrift als unionsrechtswidrig erklärt oder eine bereits bestehende unionsrechtliche Vorschrift interpretiert. Das BAMF ist demnach verpflichtet, die Relevanz einer EuGH-Entscheidung für den konkreten Fall zu prüfen und eine abweichende Bewertung vorzunehmen, falls dies gerechtfertigt ist. Diese Klarstellung des EuGH könnte zu einem Anstieg von Asylfolgeanträgen führen, da viele bereits abgeschlossene Fälle neu bewertet werden müssen, um den aktuellen Rechtsstand zu berücksichtigen.