Fluggastrechte und "außergewöhnliche Umstände"

EuGH zum Ausschluss von Ausgleichszahlungsansprüchen wegen Mangel an Gepäckverladepersonal als "außergewöhnlicher Umstand"

03.06.2024

Der EuGH (Urteil vom 16.05.2024 - Az. C-405/23) hat mal wieder zur sog. Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004) entschieden. Diesmal ging es um den Ausschluss von Ausgleichszahlungsansprüchen des Fluggastes wegen "außergewöhnlichen Umständen". Diese können - so der EuGH - auch darin begründet sein, dass der Flughafenbetreiber nicht genügend Personal für die Gepäckverladung hat. Das Luftfahrtunternehmen, dessen Flug aufgrund eines solchen außergewöhnlichen Umstands eine große Verspätung hatte, muss jedoch zur Befreiung von seiner Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste nachweisen, dass sich dieser Umstand auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären und dass es gegen dessen Folgen die der Situation angemessenen Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen hat.

Was war passiert?

Im Jahr 2021 kam es bei einem von der Gesellschaft Touristic Aviation Services Ltd (TAS) ausgeführten Flug vom Flughafen Köln-Bonn (Deutschland) zur griechischen Insel Kos zu einer Verspätung von drei Stunden und 49 Minuten.  Die Verspätung hatte mehrere Gründe. Zunächst hatte bereits der Vorflug eine Verspätung von einer Stunde und 17 Minuten, weil Check-In-Personal fehlte. Sodann - und dies ist der Hauptgrund für die große Verspätung - kam es zu einer weiteren Verzögerung von zwei Stunden und 13 Minuten, weil bei der Gepäckverladung in das Flugzeug Personalmangel bei dem für diese Dienstleistung verantwortlichen Flughafenbetreiber fehlte. Schließlich kam noch eine wetterbedingte Startverzögerung von 19 Minuten hinzu.

In Artikel 7 der sog. Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004) sind pauschalierte Ausgleichszahlungen der Fluggäste vorgesehen. Diese gelten vornehmlich für Flugannullierungen, aber nach der Rechtsprechung des EuGH auch für Verspätungen von drei Stunden oder mehr, d.h. wenn Fluggäste ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen, weil dies einer Annullierung gleichstünde (vgl. EuGH Urteil vom 25. Januar 2024, Laudamotion und Ryanair, C‑54/23, EU:C:2024:74, Randnummer 19 des Urteils und die dort aufgeführte Rechtsprechung). Wegen der hier großen Verspätung von mehr als drei Stunden, nämlich drei Stunden und 49 Minuten, standen den Fluggästen demnach grundsätzlich entsprechende pauschalierte Ausgleichszahlungen zu.

Diese Ausgleichszahlungsansprüche haben sie an die Flighright GmbH abgetreten, die diese wiederum gerichtlich vor dem Amtsgericht Köln geltend gemacht hat. Die Touristic Aviation Services Ltd (TAS) hat vor dem Landgericht Düsseldorf Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln eingelegt. Dieses ist der Ansicht, dass das erstinstanzliche Gericht die Frage hätte prüfen müssen, ob der Personalmangel bei dem Betreiber des Flughafens Köln-Bonn, der von TAS als Ursache für die große Verspätung des in Rede stehenden Fluges angeführt worden sei, einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 der sog. Fluggastrechteverordnung darstelle. Entsprechend hat es dem EuGH eben jene Frage vorgelegt.

Nach Artikel 5 Absatz 3 der sog. Fluggastrechteverordnung ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen "[...] nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären."

Ein „außergewöhnlicher Umstand“ liegt vor, wenn das Vorkommnis erstens weder seiner Natur noch seiner Ursache
nach Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist und zweitens von ihr nicht tatsächlich
beherrschbar ist.

Nach dem EuGH kann der Personalmangel bei der Gepäckverladung damit grundsätzlich die erste Voraussetzung erfüllen, nämlich wenn es nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist. Die Beurteilung, ob dem so ist, sei aber Sache des Ausgangsgerichts, also des Landgerichts Düsseldorf.

Ebenso sei es nicht Sache des EuGH zu beurteilen, ob die zweite Voraussetzung erfüllt ist, also ob der Personalmangel von TAS nicht beherrschbar waren. Dies wäre - so der EuGH - insbesondere dann nicht der Fall, wenn TAS befugt wäre, eine tatsächliche Kontrolle über den Flughafenbetreiber auszuüben.

Selbst wenn das deutsche Gericht nun aber feststellen sollte, dass es sich bei dem fraglichen Personalmangel um einen außergewöhnlichen Umstand“ handelt, wird TAS ferner zur Befreiung von ihrer Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste zum einen nachweisen müssen, dass sich dieser Umstand auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären und zum anderen, dass sie gegen dessen Folgen alle der Situation angemessenen Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen hat.

Es bleibt also abzuwarten, wie das Landgericht Düsseldorf entscheiden wird.