FIFA-Regularien verletzen Arbeitnehmerfreizügigkeit und freien Wettbewerb

EuGH: FIFA-Transferregeln teilweise unvereinbar mit Unionsrecht

22.10.2024

In einem Rechtsstreit, dem im Ausgangspunkt eine Klage des ehemaligen französischen Fußball-Nationalspielers Lassana Diarra gegen den Fußball-Weltverband FIFA zugrunde lag, entschied der EuGH mit Urteil vom 04.10.2024, dass ein Teil der FIFA-Transfervorschriften unionsrechtswidrig sei.

Die RSTS-Regelungen der FIFA

Am 1. Juli 2005 sind die derzeitgen FIFA-Regularien in Kraft getreten, die den Status und Transfer von Spielern (nachfolgend RSTS) reglementieren. Nachdem sich der EuGH mit diesem Regelungskomplex auseinandersetzte, ist er zunächst zu der Auffassung gelangt, dass die darin enthaltenen Bestimmungen durchaus legitime Ziele verfolgen würden, da sie u. a. darauf abzielen, die Stabilität der Vereine zu sichern und den ordnungsgemäßen Ablauf des fußballerischen Wettbewerbs zu garantieren. Gleichwohl hat der EuGH aber klargestellt, dass die RSTS-Vorschriften in ihrer gegenwärtigen Fassung für die Erreichung dieser Ziele nicht erforderlich seien. Es herrscht anscheinend eine normative Überregulierung auf diesem Gebiet.

Der Ausgangsfall und seine europarechtlichen Dimensionen

In dem Ausgangsfall wollte Diarra – nachdem er seinen bestehenden Vertrag frühzeitig kündigte – zum belgischen Verein Charleroi wechseln. Der neue Verein befürchtete jedoch eine Mithaftung für die aufgrund der vorzeitigen Vertragsauflösung entstandene Entschädigungssumme von über 10 Millionen EUR, die sich aus den RSTS-Vorschriften ergab. Zudem setzte sich der neue Verein der Gefahr einer Transfersperre aus, sollte ihm nachgewiesen werden können, dass er den betroffenen Spieler zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung veranlasste, wofür nach den FIFA-Regularien zumindest eine erste Vermutung sprach. Diarra hat letztlich den Standpunkt vertreten, dass die FIFA-Transfervorschriften seinem Wechsel zu Charleroi entscheidend im Wege standen. 

Verletzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV

Der EuGH hat unterstrichen, dass die RSTS-Regelung, nach welcher ein neuer Verein gesamtschuldnerisch für eine Entschädigungspflicht des „vertragsbrüchigen“ Spielers mithaftet, unverhältnismäßig sei. Die EuGH-Richter haben an dieser Regelung beanstandet, dass die Mithaftung der neuen Vereine ganz pauschal begründet werde. Diese und weitere RSTS-Regelungen sollen die Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 45 AEUV unzulässig beschränken. Die EuGH-Auffassung ist nachvollziehbar. Denn durch eine pauschale Mithaftung entwickeln neue potentielle Vereine typischerweise eine Abneigung gegenüber Spielern, die sich mitten in einem Rechtsstreit befinden, da eine Neuverpflichtung in diesen Fällen mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken einhergehen wird. Allein aus diesem Grund kann ein Transfer für den betroffenen Spieler mit großen Hindernissen und Unsicherheiten verbunden sein. 

Verletzung des freien Wettbewerbes nach Art. 101 AEUV

Auch aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive hat der EuGH die RSTS-Regelungen einer Kontrolle unterzogen. Er hat betont, dass die einschlägigen RSTS-Bestimmungen geeignet seien, den grenzüberschreitenden Wettbewerb zwischen Profi-Fußballvereinen ganz oder teilweise zu beeinträchtigen, da sie sich auch zu stark auf die Verteilung der Spieler auf dem Markt auswirken würden. Eine derartige Einschränkung kollidiere nach der Auffassung des EuGH mit den Grundsätzen über den freien Wettbewerb gem. Art. 101 AEUV. Auch diese Beurteilung aus Luxemburg ist nachvollziehbar. Es ist gerade die gegenwärtige oder zumindest künftige „Verfügbarkeit“ bereits ausgebildeter und erfahrener Spieler wie Diarra, denen vor dem Hintergrund des freien fußballerischen Wettbewerbes eine überragende Rolle zukommt. In diesem Zusammenhang sind den Vereinen aufgrund eines Dilemmas jedoch faktisch die Hände gebunden: Entweder haften Sie für die hohen Entschädigungssummen mit oder sie verzichten auf einen neuen, möglicherweise richtungsweisenden Spieler.

Niederlage für die FIFA

Mit einer derartigen Auslegung des EuGH zu dem einschlägigen Unionsrecht (Artt. 45, 101 AEUV) hat die FIFA eine deutliche Niederlage kassiert, die das bisherige Transfer-System höchstwahrscheinlich nachhaltig verändern wird. Wenn man sich die Kritik des EuGH vor Augen führt, könnte ein wichtiger Schritt hin zu mehr Unionsrechtskonformität sein, dass man sich z. B. in den Fällen der vorzeitigen Vertragsauflösung normativ dem Maßstab einer Einzelfallbetrachtung nähert und stärker auf das konkrete Spielerverhalten, die tatsächlichen Hintergründe einer Vertragskündigung sowie vor diesem Hintergrund auf eine – wie auch immer geartete – konkrete Mitbeteiligung des neuen Vereines abstellt. Regelungen, die auf der Grundlage von Generalisierungen oder Vermutungen zu Lasten der neuen Vereine eine (Mit-)Haftung oder Sanktionierung auslösen, gilt es dagegen möglichst zu vermeiden.