Mit Urteil vom 19. Dezember 2024 hat der EuGH (Az. C-185/24 und C-189/24) entschieden, dass die zeitweise einseitige Aussetzung des Asylverfahrens in Italien nicht die pauschale Annahme rechtfertigt, es würden systemische Schwachstellen vorliegen. Vielmehr müssten die Mitgliedstaaten eine konkrete Würdigung des Einzelfalles vornehmen.
Im Ausgangsverfahren geht es um zwei syrische Staatsangehörige, die in den Jahren 2021 und 2022 Asylanträge in Deutschland stellten. Grundsätzlich zuständig nach der Dublin-III-Verordnung war Italien. Auf ein Ersuchen Deutschlands, das Asylverfahren zu übernehmen, reagierte Italien jedoch nicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte daraufhin die Asylanträge ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Dies wurde mit der fehlenden Zuständigkeit nach der Dublin-III-Verordnung begründet.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hob die Ablehnung der Asylanträge nach Klagen der betroffenen Syrer auf. Während des laufenden Berufungsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Münster erließ Italien zwei Rundschreiben mit der Bitte, keine Überstellungen nach Italien vorzunehmen, da kurzfristige technische Probleme aufgetreten und die Aufnahmeeinrichtungen überlastet seien. Die große Anzahl der Geflüchteten sei deswegen nicht zu bewältigen.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat dann das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH sinngemäß die Frage vorgelegt, ob die staatliche Anordnung, Überstellungen aus anderen Mitgliedstaaten abzulehnen und in diesen Fällen kein Asylverfahren zu betreiben als systemische Schwachstelle im Sinne der Dublin-III-Verordnung auszulegen seien. Ferner fragte es, anhand welcher Anhaltspunkte das Gericht das Vorliegen solcher Schwachstellen im betreffenden Mitgliedstaat andernfalls zu beurteilen hat, soweit Asylverfahren aufgrund staatlicher Anordnung verweigert würden.
Der EuGH hat daraufhin entschieden, dass systemische Schwachstellen nur auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben anzunehmen seien. Die einseitige und unionsrechtswidrige Aussetzung der Asylverfahren im jeweiligen Mitgliedsstaat ist hingegen zu pauschal und begründet noch keine systemische Schwachstelle. Das Gericht hat zur Beurteilung systemischer Schwachstellen vielmehr alle verfügbaren Dokumente zu berücksichtigen. Darunter fallen insbesondere Berichte von NGOs und Unterlagen der Vereinten Nationen.
In der Folge ist auch weiterhin mit ablehnenden Asylbescheiden unter Hinweis auf die Unzuständigkeit Deutschlands zu rechnen. Probleme des italienischen Asylverfahrens dürften nur in konkreten Einzelfällen die Überstellung unmöglich machen und eine Zuständigkeit Deutschlands begründen.