Im März 2022 hat die Europäische Kommission die Taskforce „Freeze and Seize“ eingerichtet. Mit ihrer Hilfe wurden u.a. 19 Milliarden Euro an Vermögenswerten russischer Oligarchen eingefroren. Wiederholt wurde gefordert, diese Vermögenswerte für den Wiederaufbau der Ukraine zu nutzen. Hamburger:innen konnten die Arbeit der Taskforce zeitweise im Hamburger Hafen mit der eingezogenen Yacht Dilbar des russischen Oligarchen Alischer Usmanow bestaunen.
Ende letzten Jahres wurde der Kriegsschaden in der Ukraine bereits auf 600 Millionen Euro geschätzt. Fraglich ist, wie die Unterstützung des Wiederaufbaus durch die EU aussehen soll und wie dieser finanziert werden soll.
Kommissionspräsidentin von der Leyen twitterte:
„Russland muss für seine grausamen Verbrechen bezahlen. … (Wir) werden … dafür sorgen, dass Russland mit den eingefrorenen Geldern der Oligarchen und den Vermögenswerten seiner Zentralbank für die von ihm verursachten Verwüstungen bezahlt.“
Die neu geschaffene Taskforce zog nicht nur Privatvermögen ein, sondern blockierte rund 300 Milliarden Euro der Reserven der russischen Zentralbank in der EU und G7-Partnern. Vorschlag der Kommission ist nun eine aktive Verwaltung der Vermögenswerte. Die daraus erzielten Nettoerträge könnten für den Wiederaufbau eingesetzt werden, während die Vermögenswerte nach Aufhebung der Sanktionen zurückgezahlt würden, ohne Verletzung des Grundsatzes der Staatenimmunität und etwaiger Eigentumsrechte. Sollten in einem späteren Friedensabkommen Reparationszahlungen vereinbart werden, könnten so bereits verwendete Gelder verrechnet werden.
Das Einfrieren der Gelder fand als völkerrechtliche Gegenmaßnahme statt. Zudem wurde der Tatbestandskatalog des Art. 83 AEUV zur grenzüberschreitenden Kriminalitätsbekämpfung mit Ratsbeschluss vom 28.11.2022 um das Verbrechen der „Verletzung oder Umgehung von Sanktionen“ erweitert. Denkbar wäre es nun, im Bereich der besonders schweren Kriminalität eine Vorschrift zu schaffen, die die Verwendung der Erträge der eingezogenen Vermögen ermöglicht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte bereits fest, dass Sanktionen Einzelpersonen ähnlich stark wie Strafen treffen. Garantien aus der Menschenrechtskonvention für Strafurteile und Eigentumsrechte sind somit auch bei der Sanktionierung zu beachten. Eine direkte Verwendung der ursprünglichen Vermögen scheidet also aus, da diese nicht mit der Sanktionsumgehung erlangt wurden. Ebenso kann mit der Sanktionierung keine Enteignung der Privatvermögen stattfinden.
Für die Einziehung physischer Vermögenswerte wie Villen oder Yachten, muss ebenso nachgewiesen sein, dass diese zumindest durch reinvestierte Vermögenswerte aus einem Verbrechen, z.B. aus einer Sanktionsumgehung, erworben wurden.
Gegenüber Staaten besteht der Grundsatz der Staatenimmunität und der Grundsatz der souveränen Gleichheit. Keinem Staat und keinem staatlichen Gericht steht damit das Recht zu, über einen anderen Staat zu urteilen.
Deshalb kann die Union Bankguthaben der russischen Zentralbank, die im Ausland liegen nicht einziehen. Sie dienen höchstwahrscheinlich hoheitlichen Zwecken und fallen nicht in den Kompetenzbereich der Union. Für die ohnehin umstrittene Einschränkung der Immunität fehlt ohne Weiterentwicklung des Rechtes die Grundlage. Letztlich ist zu bedenken, dass eine solche Einschränkung zukünftig dann auch von anderen Staaten gegenüber der EU vorgenommen werden könnte.