Seit dem Brexit waren hitzige Debatten über das Nordirland Protokoll an der Tagesordnung. Sowohl in Großbritannien, als auch zwischen der britischen Regierung und Brüssel verschlechterten sich die Beziehungen der einzelnen Parteien und die Forderungen verhärteten sich. An dem Versuch eine Einigung zu finden, scheiterte bisher nicht nur ein:e britische:r Premierminister:in.
Am 27.02. trafen sich unter anderem die Präsidentin der EU-Kommission Ursula und der britische Premierminister Rishi Sunak in Windsor. Bereits zuvor verkündete Sunak, dass der Wille zur Schließung einer Einigung und Beilegung der Streitereien, da sei. Er wollte die Streitereien bis zum 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommen am 10. April beiseitegelegt haben. In der Vergangenheit hatte die Debatte zu einem angespannten Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien geführt.
Um einen reibungslosen wirtschaftlichen Ablauf zwischen Nordirland und Irland zu gewähren und das Freitagsabkommen nicht zu verletzen trat nach dem Brexit das Nordirland-Protokoll in Kraft. Das Protokoll gewährleistete eine „sanfte Grenze“ auf der irischen Insel, mit der Integrität des EU-Binnenmarktes für Waren und Garantien in Nordirland. Allerdings hatte der Beschluss zur Folge, dass Nordirland den Regeln der Europäischen Union folgte und die Existenz eine inner-britische Zollgrenze. Britische Waren, die inner-britische Zollgrenzen passierten, mussten vom Zoll kontrolliert und mit EU-Zöllen belegt werden. Die Zuständigkeit für die inner-britische Zollgrenze auf See trug der britische Zoll. Die britischen Konservativen und die Unionisten lehnten das Nordirlandprotokoll strikt ab und forderten keine Einmischung der EU in Großbritannien und eine sofortige Aussetzung des Protokolls. Außerdem blockiert die Democratic Unionist Party (DUP) die Bildung des nordirischen regional Parlamentes, aufgrund Befürchtungen einer Entfremdung Nordirlands von dem Rest Großbritannien und der Regierung in London durch das Nordirlandprotokoll, seit Monaten.
Eine Annäherung der beiden Parteien fand bereits vor gut einem Monat statt. Nach zahlreichen Gesprächen erhielt die EU Einblick auf das Computersystem des britischen Zolls, um besser nachzuvollziehen, welche Ware, in welcher Menge die Zollgrenze zwischen Nordirland und Wales, England oder Schottland passieren. Im Abschluss der Gespräche wurden bereits weitere angekündigt, wie auch der Wille zur Einigung abermals verkündet wurde.
Nun wurde durch den „Windsor Rahmen“ erstmals einen Kompromiss zwischen London und Brüssel gefunden. Geblieben sind EU-Gesetze in Nordirland, um eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland zu vermeiden. Ebenfalls bleibt die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Er ist weiterhin die letzte Instanz bei Zollstreitigkeiten um Nordirland, nur soll er dann einschreiten, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Von der Leyen betonte, dass der Schutz des EU-Binnenmarktes gewahrt bleibe, wenn nordirischen Häfen weiterhin den Zoll der Güter kontrollieren, die für das EU-Mitglied Irland im Süden der Insel bestimmt sind. Zudem hat London vor, der EU Daten zum Warenverkehr nach Nordirland in Echtzeit zu übermitteln.
Einen großen Erfolg erzielte Sunak, bei der Aussetzung der EU-Regeln und Zölle für britische Produkte die in Nordirland eingeführt werden. Güter die von Großbritannien nach Nordirland oder von Nordirland nach Großbritannien befördert werden, benötigen keine Zollpapiere. Hingegen Güter, die weiter in die EU oder nach Irland befördert werden, brauchen Zollpapiere. Für die Güter gelten alle zuvor bestimmten Regeln. Der Warenverkehr zwischen Nordirland und Großbritanniens wird demnach auf zwei Spuren verlaufen, eine für Güter, die in die EU befördert werden und eine für Güter die innerhalb Großbritanniens bleiben. Produkte welche in Schottland, Wales oder England produziert werden, können ohne weiteren Aufwand nun in nordirischen Supermärkten liegen. Primär davon betroffen sein werden, sind z.B. in Großbritannien angebaute Gemüsesorten und Wurst. Wirtschaftsvertreter:innen aus Nordirland haben sich bereits positiv zum „Windsor Rahmen“ geäußert, sie hoffen auf mehr Stabilität und Wachstum der Wirtschaft.
Im Weiteren beinhaltet der Entschluss, dass die Verfügbarkeit und Regularien für Medikament in Nordirland und dem Rest von Großbritannien gleich sein sollen. Medikamente die bereits in England, Wales, oder Schottland zu kaufen sind, haben automatisch eine Zulassung in Nordirland und können dort verkauft werden. Außerdem präsentierte Sunak beim britischen Parlament, das Vetorecht für Nordirland als einen großen Erfolg. Von nun ab können die Abgeordneten der nordirischen Regionalregierung bei EU-Vorgaben ihr Veto einlegen und die Vorgaben blockieren, unter der Bedingung, dass die Vorgaben sich stark auf das alltägliche Leben auswirken würden. So will man der nordirischen Regierung ein Mitbestimmungsrecht ermöglichen. Die britische Regierung hat ebenfalls ein Vetorecht. Das Reisen mit Haustieren soll das „Heimtierreisedokument“ erleichtern, solange eine Erklärung der:des Besitzers:in vorliegt, dass das Haustier nicht in die EU einreisen wird, wenn es nach Nordirland kommt. Das Zustellen von Pakten zwischen Nordirland und dem Rest von Großbritannien soll in Zukunft ebenfalls erleichtert werden.
Damit die Einigung in Kraft gesetzt wird, muss der „Windsor Rahmen“ nur noch eine Mehrheit im britischen Parlament erzielen. Sunak benötigt den Rückhalt des Parlamentes und vor allem die Zustimmung seiner eigenen Partei der Conservative and Unionist Party (Tories). Damit Sunaks Vorhaben keinen Strich durch dir Rechnung bekommt, muss er den Block der strikten Brexit-Hardliner der Tories überzeugen. Die Labour Partei hat bereits verkündetet, dass sie für den „Windsor Rahmen“ stimmen werden. Sie sehen den Kompromiss als längst überfällig an und als Möglichkeit, sich auf die Zukunft zu konzentrieren, statt auf alte Debatten. Abzuwarten ist, wie die DUP im nordirischen Parlament reagiert. Der Vorsitzende der DUP, sprach bereits von guten Fortschritten, merkte aber an, dass es noch offene Fragen gibt, die zu klären seien. Nun ist abzuwarten, ob die DUP die Regierungsbildung im nordirischen Parlament auflösen wird.