Die Entscheidung des EuGH zur Zulässigkeit von Beschränkungen der Vermietung von Wohnungen über Airbnb und andere Vermietungsportale

Ein Beitrag von Yanick Sambulski

18.07.2022

1. Einleitung

Eine zunehmende Anzahl von Menschen entscheidet sich dafür in Städten zu leben, wobei insbesondere Großstädte seit jeher die größte Anziehungskraft vermitteln. Die Preise für den Kauf von Wohnungen steigen stetig an, auch innerhalb der aktuellen Corona-Krise.1 Damit einhergehend steigen als Konsequenz auch die Preise für die Miete von Wohnungen und tragen damit zur akuten Wohnungsknappheit bei. In deutschen Bundesländern wurden verschiedene Regelungen getroffen, die Wohnungsnot und steigende Mietpreise unterbinden sollen. Im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte stehen vor allem die Regelungen der Stadtstaaten Berlin und Hamburg, die im Folgenden überblicksartig dargestellt werden (dazu 2.). Am 22.09.2020 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den verbundenen Rechtssachen C-724/18 und C-727/18 zumindest europarechtliche Bedenken gegen solche Regelungen ausgeräumt2. Er hat entschieden, dass EU-Staaten im Kampf gegen den städtischen Wohnungsmangel kurzzeitige Vermietung über Plattformen wie Airbnb einschränken dürfen (dazu 3.). Im Anschluss an die Darstellung der Entscheidung werden die Auswirkungen der Entscheidung des EuGH auf die Regelungen der Länder Berlin und Hamburg dargestellt (dazu 4.)

Kennzeichnend für das Geschäftsmodell des Unternehmens Airbnb – welches hier pars pro toto für alle vergleichbaren Unternehmen herangezogen wird – ist, dass Privatanbieter über die gleichnamige Online-Plattform ganze Wohnungen oder einzelne Zimmer inserieren können, um diese kurzfristige zu vermieten. Die Plattform tritt dabei nicht als Vermieter auf, sondern übernimmt lediglich die Vertragsabwicklung einschließlich der Bezahlung.3

2. Regelungen in den deutschen Bundesländern Berlin und Hamburg

Um Wohnungsnot und steigenden Mietpreisen für die Bürger/innen entgegenzuwirken, haben deutsche Großstädte legislative Maßnahmen unternommen. 

Einleitend sei zu erwähnen, dass die Stadt Berlin als prominentestes Beispiel das Berliner Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) - besser bekannt als der "Berliner Mietendeckel" – erlassen hat, um Mieterhöhung zu vermeiden. Die Mieten für 1,5 Mio. Wohnungen wurden damit auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren.4 Obwohl verfassungsrechtliche Bedenken bestehen - insbesondere hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin - und Normenkontrollklagen bei Verfassungsgerichten auf Landes- und Bundesebene bereits anhängig sind5, hielt das Landgericht Berlin die Regelungen für verfassungsgemäß.6

Weiterhin erlies die Stadt Berlin das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum („Zweckentfremdungsverbot-Gesetz“ – „ZwVbG“). Dieses lässt die Nutzung von Wohnraum zu anderen als zu Wohnzwecken (Zweckentfremdung gemäß § 2 Abs. 1 ZwVbG) nur mit Genehmigung zu, sofern die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (§ 1 Abs. 1 ZwVbG). Das Gesetz wird durch den Senat durch die Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbot-Verordnung – ZwVbVO) konkretisiert. Eine Zweckentfremdung nach diesem Gesetz liegt insbesondere vor, wenn Wohnraum zum Zwecke der wiederholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder einer Fremdenbeherbergung verwendet wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG). Die Zweckentfremdung ist als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro bewährt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, 1. Hs ZwVbG). Auch hinsichtlich des Zweckentfremdungsverbots bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Das Verwaltungsgericht Berlin hat bereits einzelne Regelungen der Zweckentfremdungsverordnung für nichtig erklärt.7

Mit ähnlichen Erwägungen hat auch die Stadt Hamburg im Gesetz über den Schutz und die Erhaltung von Wohnraum (Hamburgisches Wohnraumschutzgesetz - HmbWoSchG) eine Zweckentfremdung im Grundsatz untersagt. Die Überlassung von Wohnraum an wechselnde Nutzer zum Zwecke des nicht auf Dauer angelegten Gebrauchs und eine entsprechende Nutzung ist auch dort nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde zulässig (§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 HmbWoSchG).

3. Entscheidung des EuGH

3.1. Sachverhalt und Ausgangsverfahren in Frankreich

Der französische Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) wandte sich in zwei Verfahren im Wege eines Vorabscheidungsersuchen nach Art. 267 AUEV betreffend die Auslegung der Art. 1, 2 und 9 bis 15 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) („Dienstleistungsrichtlinie“) an den EuGH. Die beiden vor dem EuGH zusammengefassten Verfahren betrafen die von jeweils einem Eigentümer einer Einzimmerwohnung in Paris gegen die vorinstanzlichen Urteile eingelegten Rechtsmittel. In den vorinstanzlichen Urteilen wurden die Eigentümer jeweils auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Paris wegen des Verstoßes gegen eine Regelung, die dem oben dargestellten Zweckentfremdungsverbot des ZwVbG und des HmbWoSchG ähnelt, jeweils zu einem Bußgeld verurteilt. Weiterhin wurden sie zur Rückumwandlung ihrer Wohnung in Wohnraum zur längerfristigen Vermietung verpflichtet. Die französischen Regelungen stellen für die Ausübung von Tätigkeiten der regelmäßigen Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten ohne dort einen Wohnsitz zu haben, ein Genehmigungserfordernis auf. Dieses Erfordernis gilt in Großstädten mit über 200.000 Einwohnern und in der Nähe von Paris.

3.2. Vorlagefragen 

Aus Sicht des Cour de cassation war es fraglich, ob die vorliegende, nicht gewerbsmäßige, regelmäßige Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen, die nicht den Hauptwohnsitz des Vermieters darstellen, überhaupt dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie unterfällt. Sofern der EuGH dies bejahen sollte, stellten sich für das Gericht mehrere Folgefragen. Der EuGH hatte zu beantworten, ob es sich um eine Genehmigungsregelung im Sinne des Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie handelt oder bloß um eine den Art. 14 und 15 unterliegende Anforderung an die Ausübung der Tätigkeit. Weiterhin hatte er zu ermitteln, ob das Ziel der Bekämpfung der Mietwohnungsknappheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, der eine nationale Maßnahme rechtfertigen kann, die - ebenso wie Regelung in Berlin und Hamburg - die regelmäßige Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, in bestimmten geografischen Zonen einer Genehmigungspflicht unterwirft. Festzustellen war zudem, ob eine solche Regelung verhältnismäßig ist. Ein wichtiger Aspekt war außerdem, ob die Richtlinie einer Genehmigungsregelung entgegensteht, die vorsieht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung mit Verordnung des Gemeinderats festgelegt werden. Dies insbesondere, wenn die Gemeinde im Hinblick auf die Ziele der sozialen Vermischung und unter Berücksichtigung der Lage auf den Wohnungsmärkten und der Notwendigkeit, den Wohnungsmangel nicht zu verschärfen, zu handeln verpflichtet ist.

3.3. Entscheidungsgründe

Der EuGH entschied auf Vorlage der französischen Richter, dass die französische Regelung mit Art. 9 Abs. 1 der EU-Dienstleistungsrichtlinie vereinbar ist. 

Er stellt zunächst fest, dass die Dienstleistungsrichtlinie auf Grund des weit auszulegenden Dienstleistungsbegriffs auf die von den Klägern im Ausgangsverfahren ausgeübte Tätigkeit der Kurzzeitvermietung anwendbar sei. Die französischen Regelunge seien dabei nicht lediglich als Voraussetzungen für die Ausübung der Dienstleistung im Sinne des Art. 14 und 15 zu verstehen, sondern stellen eine Genehmigungsregelung dar. Der Dienstleistungserbringer muss schließlich eine Genehmigungsentscheidung der zuständigen Behörde erwirken, um die Tätigkeit ausüben zu können, nicht lediglich bestimmte Vorgaben beachten. 

Nach den von EuGH statuierten Maßstäben erfüllt eine solche Genehmigungsregelung nur dann die Voraussetzungen des Art. 9 der Richtlinie, wenn sie nichtdiskriminierend, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Der EuGH ist im Hinblick auf die zu überprüfende Regelung der Auffassung, dass der von ihr verfolgte Zweck, ein System zur Bekämpfung von Wohnungsnot einzuführen, um das Angebot an Wohnungen zu erhöhen sowie die Inflation der Höhe der Mieten zu bekämpfen, ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist. Der dahinterstehende Schutz der städtischen Umwelt sowie die Ziele der Sozialpolitik sind vom EuGH bereits vorher als solche Gründe anerkannt worden. Die Regelung ist auch verhältnismäßig, da sie räumlich und sachlich begrenzt Anwendung findet. Vermieter, die ihren Hauptwohnsitz an der Adresse der Airbnb-Wohnung haben, sind von der Regelung in Paris ausgenommen. Auch sei es nicht möglich, die Ziele gleichermaßen effektiv durch ein Meldesystem herbeizuführen, da durch nachträgliche Eingriffe der schnelle Umwandlungsprozess nicht verhindert werden kann.

Außerdem müssen auch die Kriterien, die für die Erteilung der Genehmigungen maßgeblich sind, nach Art. 10 der Richtlinie nicht diskriminierend durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt, in Bezug auf diesen Grund klar und unzweideutig, objektiv im Voraus bekannt gemacht sowie transparent und zugänglich sein. Es ist nach Auffassung des EuGH nicht zu beanstanden, wenn die genauen Voraussetzungen einer Genehmigung im Einzelnen in die Hände der lokalen Behörden gelegt würden, da diese am besten dazu in der Lage seien, die Gegebenheiten einzuschätzen. Auch eine Ausgleichspflicht für die Erteilung der Genehmigung kann festgelegt werden. Der jeweilige Vermieter kann das Zweckentfremdungsverbot schließlich schlicht dadurch umgehen, dass er seine Räume zur langfristigen Vermietung zur Verfügung stellt. Die nationalen Gesetzgeber sind nicht verpflichtet, die Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung selbst festzulegen, um Konformität mit der Dienstleistungsrichtlinie zu gewährleisten. Konkret sprach die französische Regelung lediglich von "regelmäßiger Kurzzeitvermietung einer möblierten Wohnung an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen“. Die Regelung ist trotzdem als ausreichend bestimmt und klar anzusehen, da den örtlichen Behörden nicht nur die Ziele vorgegeben werden, sondern auch objektiv Gesichtspunkte, nach denen diese die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen festzulegen haben.

4. Abschließende Bewertungen und Auswirkungen des Urteils

Die Anforderungen des EuGH an die Europarechtliche Zulässigkeit eines Genehmigungsvorbehalts für die nicht-gewerbliche Kurzzeitvermietung sind nicht allzu hoch. Die Einschätzung, ob in der jeweiligen Stadt oder Bezirk Wohnungsnot besteht und ein Einschreiten notwendig ist, kann den lokalen Behörden überlassen werden. In Anbetracht der in vielen europäischen Großstädten auftretenden Wohnungsnot und der unaufhaltsam steigenden Preise für die Anmietung von Wohnraum erscheint dies jedoch die einzig richtige Möglichkeit der Entscheidung der zu beantwortenden Vorlagefragen durch den EuGH zu sein. Er gibt den Mitgliedstaaten damit genügend Freiraum, um selbst festzulegen, wann sie mit dem scharfem Schwert des Genehmigungsvorbehalts gegen die Vermietung über Airbnb und andere Anbieter vorgehen. Sofern man dem entgegenhalten möchte, dass damit faktische die besonders lukrative Kurzzeitvermietung untersagt werden könne, so ist dies vor dem Hintergrund des Rechts der Europäische Bürger/innen auf erschwinglichen Wohnraum hinzunehmen.

Das Urteil des EuGH hat auch Auswirkungen auf Europarechtliche Zulässigkeit der in Deutschland geregelten Zweckentfremdungsverbote für Wohnraum. Im Angesichte dessen, dass die Regelungen in Berlin und Hamburg der französischen Regelung, entsprechen, ist davon auszugehen, dass diese eine Europarechtlichen Überprüfung ebenso standhalten werden. Aussagen darüber, ob, die Regelungen auch im Hinblick auf das deutsche Grundgesetz bestand haben werden, lassen sich der Entscheidung des EuGH naturgemäß nicht entnehmen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG durch das Amtsgericht Berlin zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Berliner Zweckentfremdungsverbots wurde zuletzt leider mangels ausreichender Begründung als unzulässig abgewiesen, ohne dass es zu einer Entscheidung in der Sache kam.8 Es bleibt also weiterhin spannend.

1 https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-09/immobilienpreise-anstieg-corona-krise-wohnung-haus, abgerufen am 24.10.2020.

2 Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier.

3 Ludwigs, NVwZ 2017, 1646, 1650.

4 https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/mietendeckel-berlin-senat-grundsatzentscheidung-bverfg/, abgerufen am 23.10.2020.

5 https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-berlin-66s96-20-mietendeckel-verfassungsgemaess-keine-vorlage-bverfg/, abgerufen am 24.10.2020

6 LG Berlin, Urt. v. 31.07.2020 - 66 S 95/2, BeckRS 2020, 18714.

7 § 3 Abs. 4 ZwVbVO, VG Berlin, Urt. v. 27.08.2019, Az. VG 6 K 452.18.

8 BVerfG, Beschl. v. 26.02.2020 – Az. 1 BvL 5/19.