Der Verbraucher kann den Reiseveranstalter an seinem Wohnsitz verklagen

Gerichtszuständigkeit in Verbraucherangelgenheiten

15.08.2024

Mit Urteil vom 29. Juli 2024 hat der EuGH in der Rechtssache C-774/22 entschieden, dass der Verbraucher bzw. die Verbraucherin bei einer Auslandsreise den Reiseveranstalter vor dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Wohnsitz hat, verklagen.


Canva Bild zur Gerechtigkeit/Justiz

Geklagt hatte ein Verbraucher mit Wohnsitz in Nürnberg vor dem Amtgericht Nürnberg gegen den Reiseveranstalter FTI Touristik GmbH mit Sitz in München. Hintgerund war eine Auslandsreise. Normalerweise wird die inländische örtliche Gerichtszuständigkeit nach der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt. Der allgemeine Gerichtsstand bestimmt sich dabei in der Regel nach dem Wohnsitz des Beklagten bzw. der Beklagten (vgl. §§ 12, 13 ZPO). Bei juristischen Personen wie einer GmbH ergibt sich der allgemeine Gerichtsstand in der Regel nach § 17 ZPO durch den Sitz. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.

In strenger Anwendung dieser Regelungen wäre eigentlich das Amtsgericht München örtlich zuständig, weil die FTI Touristik GmbH ihren Sitz in München hat. Der EuGH hat aber in diesem Vorabentscheidungsverfahren entschieden, dass ein grenzüberschreitendes Element vorliege, so dass nicht die ZPO, sondern die Brüssel Ia-Verordnung Anwendung findet, die mit Artikel 17 und Artikel 18 besondere Regelungen bei Verbraucherverträgen vorsieht. Die Brüssel Ia-Verordnung regelt vordergründig die internationale Gerichtszuständigkeit - also wenn bei grenzüberschreitenden Elementen zu klären ist, ob zum Beispiel die Gerichte in Frankreich oder Deutschland zuständig sind.

Nach Artikel 18 der Brüssel Ia-Verordnung kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Das grenzüberschreitende Element, so der EuGH, liegt hier darin, dass es um eine Auslandsreise geht. Die Brüssel Ia-Verordnung sei auch bei Auslandsreisen dann anwendbar, wenn Verbraucher und Reiseveranstalter in ein und demselben Mitgliedstaat ansässig sind. Der aufgrund des ausländischen Reisziels bestehende Auslandsbezug genügt für die Anwendbarkeit der Verordnung.

Mit der Herabsenkung des Maßstabs für ein grenzüberschreitendes Element im Sinne der Brüssel Ia-Verordnung dürften mehr Verbraucherverträge unter das Regime der Brüssel Ia-Verordnung fallen als bisher angedacht. Die Brüssel Ia-Verordnung bestimmt demnach bei Klagen des Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner nicht nur die internationale Zuständigkeit, sondern auch die örtliche Zuständigkeit. Nach dem EuGH legt sie unmittelbar fest, dass das Gerichts des Ortes zuständig ist, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die schwächere Partei – der Verbraucher – die stärkere vor einem für sie leicht erreichbaren Gericht verklagen kann.