Der Haushalt der EU

Grundlagen und Verfahren im Überblick

16.07.2025

Die EU-Kommission hat am 16. Juli ihren Plan eines Haushaltsrahmens für die Jahre 2028 bis 2034 vorgestellt, der sich auf ca. 2 Billionen Euro belaufen soll. Dies sind 800 Milliarden mehr als der bisherige Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027, der "nur" 1,2 Billionen Euro beträgt.

Schon deshalb lehnt die Bundesregierung den aktuellen Plan wegen der Erhöhung der EU-Haushaltsmittel ab. In finanziell schwierigen Zeiten, in denen die Mitgliedstaaten ihre Finanzen selbst stabilisieren müssten, sei eine Steigerung des EU-Haushalts nicht vermittelbar, so der Tenor.  Doch auch in anderen EU-Mitgliedstaaten regt sich Widerstand. So unterzeichneten 14 Mitgliedstaaten, unter ihnen Länder wie Spanien und Polen, eine Erklärung, in welcher sie die Zusammenlegung und Straffung der Finanzierungstöpfe, die zudem an die Erfüllung politischer EU-Ziele gebunden werden sollen, kritisierten. Dieser kleine Ausschnitt zeigt: Haushaltsfragen auf EU-Ebene sind stets Auslöser für intensive und teils hitzige Debatten. Wir haben diese aktuelle Entwicklung deshalb zum Anlass genommen, Sie in diesem Artikel allgemein über den Haushalt der Europäischen Union und den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) zu informieren. Insbesondere möchten wir beantworten, was EU-Haushalt und Finanzrahmen überhaupt sind, woher die Finanzmittel kommen und was die rechtlichen Spielregeln bei deren Aufstellung sind.

EU-Haushalt und Haushaltsrahmen - Was sind sie überhaupt?

Bei einem Haushalt handelt es sich allgemein um einen Plan, in dem alle Einnahmen und Ausgaben eines Staates in der Regel für ein Jahr aufgelistet sind. Er zeigt, wofür der Staat Geld ausgibt und woher das Geld kommt.

Dies ist, obwohl die EU selbst kein Staat ist, auch auf EU-Ebene nicht anders. Sie hat aufgrund des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ("AEUV") die Möglichkeit, einen Haushalt aufzustellen.

Art. 310 Abs. 1 AEUV regelt insoweit, dass alle Einnahmen und Ausgaben der EU für jedes Haushaltsjahr veranschlagt und in einem Plan eingesetzt werden. Dieser Haushaltsplan wird vom EU-Parlament und dem Rat der Europäischen Union gemäß Art. 314 AEUV auf Vorschlag der EU-Kommission jedes Jahr für das darauffolgende Jahr aufgestellt. Hierbei ist ein sehr wichtiges Kernelement der Haushaltspolitik der EU zu berücksichtigen, nämlich, dass Einnahmen und Ausgaben sich ausgleichen müssen, Art. 310 Abs. 1 UAbs. 3 AEUV. Einfach gesprochen: Die EU darf sich über den Haushalt nicht verschulden. Dies ist ein großer Unterschied zu einem Nationalstaat wie Deutschland, der zurzeit eine erhebliche Neuverschuldung zwecks nationaler Investitionen plant.

Von dem eigentlichen Haushalt zu unterscheiden ist der Haushaltsrahmen, der im AEUV als "mehrjähriger Finanzrahmen" beschrieben wird. Aufschluss über diesen gibt Art. 312 AEUV. Nach Abs. 1 soll der Haushaltsrahmen sicherstellen, dass die Ausgaben der EU innerhalb der Grenzen ihrer Eigenmittel eine geordnete Entwicklung nehmen. Er wird für mindestens fünf Jahre aufgestellt und bildet, wie sein Name bereits impliziert, den finanziellen Rahmen, in welchem sich künftige Haushaltspläne für den festgelegten Zeitraum bewegen dürfen. 

Initiator für die Aufstellung des Finanzrahmens ist die EU-Kommission, die einen entsprechenden Vorschlag vorstellt. In diesem legt sie Prioritäten, Regeln, die Ausgabenobergrenzen für verschiedene Politikbereiche (z.B. Landwirtschaft, Forschung, Regionalförderung) sowie seinen Zeitraum fest. Danach wird der Rat der Europäischen Union mit dem Vorschlag befasst. Dieser muss den Vorschlag einstimmig annehmen, was oft dazu führt, dass zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten verhandelt werden muss, damit die nötigen Stimmen im Rat erteilt werden. Diese Verhandlungen finden zumeist im Europäischen Rat statt. Liegt die Zustimmung des Rates vor, muss noch die Zustimmung des EU-Parlaments eingeholt werden. Dieses kann den Finanzrahmen durch Mitgliedermehrheit annehmen oder ihn ablehnen. Eigene Vorschläge kann es aber - anders als beim EU-Haushalt - nicht einbringen.

Woher kommen die finanziellen Mittel?

Die EU finanziert sich aus sogenannten "Eigenmitteln", welche aus den folgenden Einnahmequellen stammen:

  1. "Traditionelle" Eigenmittel (ca. 10 - 15 %): Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Einfuhrzölle. Diese dürfen zu 25 % von den Mitgliedstaaten zur Deckung der Erhebungskosten einbehalten werden.
  2. Mehrwertsteuer-Eigenmittel (ca. 10 %): Auf die Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage, die für jeden Mitgliedstaat individuell berechnet wird, entfällt ein einheitlicher Abrufsatz in Höhe von 0,3 %. Hier besteht eine Beitragsdeckelung in Höhe von 50 % des Bruttonationaleinkommens. 
  3. Abgaben der EU-Mitgliedstaaten (ca. 60 - 70 %): Die EU-Mitgliedstaaten leisten einen jährlichen Beitrag zum EU-Haushalt, der sich nach ihrem Bruttonationaleinkommen auf Grundlage eines einheitlichen Abgabensatzes bemisst. Diese Beiträge stellen den größten Finanzierungsposten der EU dar. 
  4. Abgaben auf nicht-recycelte Kunststoffabfälle (ca. 3 - 4 %): Die Mitgliedstaaten leisten einen Beitrag auf nicht-recycelte Kunststoffabfälle, der über einen einheitlichen Satz von 80 Cent pro Kilogramm berechnet wird. Für Mitgliedstaaten, deren Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen unter dem Unionsschnitt liegt, wird dieser Betrag pauschal verringert.

Darüber hinaus sind sonstige Einnahmen (ca. 2 - 8 %) zu berücksichtigen. Hierunter fallen u.a. Steuern auf die Gehälter von EU-Bediensteten, Geldbußen von Unternehmen bei Verletzung von EU-Recht, Überschüsse aus dem Vorjahreshaushalt. 

Fremdmittel (z.B. Kredite) dürfen für die Ausgabendeckung von der EU eigentlich nicht aufgenommen werden, siehe Art. 311 Abs. 2 AEUV. In der Praxis ist dies jedoch im Rahmen des "NextGenerationEU"-Wiederaufbaufonds als Reaktion auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie geschehen. Die EU-Kommission wure ermächtigt, einmalig und zeitlich befristet bis zu 750 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten aufzunehmen. Diese Ermächtigung soll Ende 2026 auslaufen.

Was passiert mit den finanziellen Mitteln im EU-Haushalt?

Die finanziellen Mittel im EU-Haushalt werden vielfältig verwendet. Im Kern sollen die gemeinsamen und politische Ziele der EU gefördert werden. Dies kann etwa durch Auszahlungen von Subventionen oder Zuschüssen oder durch das Aufstellen gemeinsamer europäischer Programme geschehen. Ein kleiner Überblick:

  1. Landwirtschaft und ländliche Entwicklung: Subventionen für Landwirte und Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums.
  2. Regionale Entwicklung ("Kohäsion"): Förderung weniger entwickelter Regionen zur Verringerung wirtschaftlicher Ungleichheiten und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts.
  3. Forschung und Innovation: Finanzierung großer Forschungsprogramme wie „Horizon Europe“.
  4. Digitale Transformation und Infrastruktur: Programme wie „DIGITAL“ und „Connecting Europe Facility“ zur Verbesserung der digitalen Infrastruktur und grenzüberschreitender Netzwerke.
  5. Umwelt- und Klimaschutz: Unterstützung von Programmen zur Bekämpfung des Klimawandels, Klimaanpassung und Umweltmaßnahmen (z. B. "LIFE"-Programm, Klima-Sozialfonds).
  6. Bildung und Mobilität: Förderung von Bildungs- und Austauschprogrammen. Hierunter fällt das sehr bekannte Erasmus-Programm.
  7. Migration, Sicherheit und Grenzschutz: Finanzierung von Grenzschutz (z. B. Frontex), Migrationsmanagement und Integration.
  8. Außenbeziehungen und Entwicklungshilfe: Unterstützung von Partnerländern außerhalb der EU, humanitäre Hilfe und globale Stabilitätsförderung.
  9. Gesundheit: Programme wie "EU4Health" zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheitssysteme.

Ein Teil der finanziellen Mittel wird im Übrigen für die Deckung der Kosten für EU-Institutionen, Personal und Verwaltung verwendet (ca. 6 - 7 %). 

Was plant die EU-Kommission nun?

Ein wesentliches Element des aktuellen Plans der EU-Kommission für die Jahre 2028 bis 2034  ist die Steigerung der Flexibilität des EU-Haushalts im Allgemeinen. So sollen weniger finanzielle Mittel fest verplant werden - bislang lag dieser Wert bei 90 Prozent -, um insbesondere auf Krisen wie den Ukrainekrieg oder die Corona-Pandemie in Zukunft effektiver und schneller reagieren zu können.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Zusammenführung der Vielzahl an Förderprogrammen - die Kommission beziffert sie auf 540 Einzelprogramme - in 27 sogenannte "Partnerschaftspläne". Hierdurch soll die finanzielle Unterstützung der EU, so das Ziel, schneller, flexiber und gezielter in den Mitgliedstaaten und ihren Regionen ankommen. Umfassen sollen sie die EU-Regionalförderung ("Kohäsion"), Sozialpolitik, Agrarpolitik, Fischerei- und Meerespolitik, Migration, Grenzmanagement und innere Sicherheit.

Darüber hinaus beabsichtigt die Kommission, EU-Fördermöglichkeiten für Unternehmen und Start-Ups zu vereinfachen und ihre Zahl um zwei Drittel auf 16 zu reduzieren. Ferner soll ein zentrales Portal geschaffen werden, auf denen die Fördermöglichkeiten eingesehen und beantragt werden können.

Auch die EU-Verteidigungspolitik steht im Fokus und soll durch erhöhte Mittelzuführung gestärkt werden.

Die Finanzierung soll unter anderem durch Erschließung neuer Einnahmequellen gedeckt werden. Die EU-Kommission denkt insoweit an eine EU-weite Abgabe für umsatzstarke Unternehmen und eine Abgabe auf nicht für das Recycling gesammelten Elektroschrott.

Was bedeuten die aktuellen Pläne für Hamburg? 

Hamburg dürfte die aktuellen Entwicklungen zum EU-Finanzrahmen genauestens verfolgen. So befürchten regionale und lokale Akteure allgemein, dass die Bündelung und Vereinfachung der bislang zahlreichen Förderprogramme in die "Partnerschaftspläne" dazu führen wird, dass sie weniger Mitspracherecht bei der Verteilung der finanziellen Mittel haben werden. Denn obgleich die EU-Kommission in ihrem aktuellen Plan die Rolle der Regionen bei der Förderverteilung hervorhebt, scheint sie in der Tat darauf abzuzielen, dass die "Partnerschaftspläne" primär zwischen der EU-Kommission und dem jeweiligen Mitgliedstaat, d.h. der jeweiligen (Bundes-)Regierung, ausgehandelt werden sollen. Es ist demnach eine gewisse Zentralisierung geplant, die zulasten der regionalen und lokalen Akteure gehen dürfte, die bislang Fördermittel direkt zugewiesen bekommen haben.

Ausblick

Es ist zu erwarten, dass der aktuelle Plan der EU-Kommission für einen Finanzrahmen für die Jahre 2028 bis 2034 monate-, wenn nicht sogar jahrelange Diskussionen nach sich ziehen wird. Neben der beabsichtigten Erhöhung der finanziellen Mittel - 800 Milliarden mehr! - ist vor allem die Neuordnung der EU-Finanztöpfe vielen Mitgliedstaaten ein Dorn im Auge. Und dann sind da auch auch noch die lokalen und regionalen Akteure, die um ihren Einfluss bei der Verteilung der EU-Fördermittel bangen.

Nicht unterschätzt werden sollte aber auch, dass sich die Kommission eine geringere Verplanung der Finanzmittel wünscht, effektiv also selber über ihre Verteilung entscheiden will. Dies würde die Machtverhältnisse zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Kommission zugunsten letzterer neu ordnen und sie erheblich handlungsfähiger machen. Dies könnte aber auch die seit langem geführte Debatte in der EU über ihre ausreichende demokratische Legitimation und ihre Souveränität gegenüber den Mitgliedstaaten neu entfachen. Ist die EU im Ganzen als supranationale, nichtstaatliche, aber dennoch teilsouveräne Organisation, die - sofern der Plan der Kommission tatsächlich umgesetzt wird - gegenüber den Mitgliedstaaten umfassend handlungsfähig ist, auch hinreichend demokratisch legitimiert? Wie würde sich eine Flexibilisierung der Entscheidung über die Finanzmittel auf Kompetenzfragen zwischen der EU-Ebene und den mitgliedstaatlichen Ebenen auswirken?

Wie sich zeigt, ist das Thema EU-Haushalt nicht nur von Zahlen, Subventionen und Geld dominiert. Es löst grundlegende rechtliche und politische Debatten zur EU selbst aus und berührt aufgrund der Mittelverwendung sämtliche Lebensbereiche jedes EU-Bürgers und jeder EU-Bürgerin.