Die Mitgliedstaaten zwischen Einheit und Eigenstaatlichkeit
Was sind die Voraussetzungen, unter denen eine Person Anspruch auf internationalen Schutz hat? Nach welchem System werden Flüchtlinge auf die EU-Länder verteilt? Welche Mindestnormen gelten für die Durchführung eines Asylverfahrens und welche für die Aufnahme von Personen während des Verfahrens?
Zu diesen und etlichen weiteren Fragen existieren supranationale Regelungen auf EU-Ebene, welche jedoch nicht leicht zu überblicken sind und in der Praxis einen hohen Grad an Interpretationsspielraum offenlassen. Denn beim Thema Asylpolitik gehen die Vorstellungen und Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten auseinander und spalten so die EU. Diese hat als eigenständige Organisation mit Rechtspersönlichkeit ihre Rechtsetzungsbefugnisse in Form von Richtlinien und Verordnungen ausgiebig ausgeübt. Das Asylrecht liegt heutzutage nahezu vollständig in der Hand der EU, jedoch legen die Mitgliedstaaten die Gesetzgebung sehr unterschiedlich aus.
Denn nur EU-Verordnungen entsprechen europäischen Gesetzen und entfalten in allen Teilen unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten.
Von der Europäischen Union beschlossene Richtlinien entfalten grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung, sondern müssen zunächst in nationales Recht umgesetzt werden. Sie sind folglich hinsichtlich des zu erreichenden Zwecks verbindlich, Form und Mittel der Umsetzung bleiben den Mitgliedstaaten überlassen.
Auch wenn nationalstaatliche Gerichte und der EuGH dafür Sorge zu tragen haben, dass Richtlinien als Gemeinschaftsrecht einheitlich ausgelegt werden, führt das Erfordernis ihrer nationalen Umsetzung zu gravierenden rechtlichen Unterschieden rund um das Thema Asylpolitik und Migration. Diese gilt es – heutzutage mehr denn je – im Sinne einer einheitlichen europäischen Asylpolitik und einer gerechten und nachhaltigen Verantwortungsteilung zu beseitigen. Denn die Herausforderungen der sog. „Flüchtlingskrise“ und der massive Zustrom von Asylbewerbern seit 2015 zeigten schnell strukturellen Schwächen und Unzulänglichkeiten in der Konzeption und Anwendung des Europäischen Asylsystems.
Gemeinsames europäisches Ziel ist bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts die Entwicklung einer einheitlichen Politik im Bereich Asyl und die zunehmende Angleichung der Asylsysteme der EU-Mitgliedstaaten. Grund für die Einführung des GEAS war die Erkenntnis, dass in einem Raum ohne Binnengrenzen eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften zum Asyl auf EU-Ebene erforderlich sei, um Sekundärmigration von Asylbewerbern zu vermeiden. Die Abschaffung der Binnengrenzen innerhalb der EU erfordere gewissermaßen als Ausgleichsmaßnahmen verstärkte Kontrollen der Außengrenzen sowie Zusammenarbeit im Bereich Asyl und Einwanderung.
Mit dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) von 1992 wurde die Asyl- und Flüchtlingspolitik erstmals als „Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse“ behandelt. Da dieses Themenfeld betreffende Entscheidungen jedoch einstimmig getroffen werden mussten, blieb die Entscheidungshoheit weiterhin bei den Mitgliedstaaten. Erst im Zuge des Amsterdamer Vertrages von 1999 gingen die Bereiche des materiellen und formellen Asylrechts schließlich fast vollständig in die supranationale Zuständigkeit der EU über. Dem lag die in den vergangenen Jahren gewonnene Überzeugung zugrunde, dass im Zusammenhang mit der Schaffung eines Binnenmarkts ohne Innengrenzen die Asylpolitik zwingend in die EU-Verträge aufgenommen werden sollte. Es wurden die Grundpfeiler für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem gesetzt. Der Vertrag von Nizza (2003) änderte das Abstimmungsverfahren für asylrechtliche Themen dahingehend, dass von dem Erfordernis der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit übergegangen wurde.
Primärrechtliche Grundlage für das GEAS stellt das 2. Kapitel des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) sowie Artikel 18 der Charta der Grundrechte der EU dar. Artikel 78 AEUV legt fest, dass die Union eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl sowie subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz entwickelt, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll. Art. 78 bezieht sich zudem ausdrücklich auf die Genfer Flüchtlingskonvention (GK) von 1951 als rechtliche Basis des GEAS und damit abermals auf das Non-Refoulement-Gebot als wichtigsten Grundsatz der GK. Kein Flüchtling darf vor endgültiger, bestandskräftiger Klärung seines Flüchtlingsstatus „über die Grenzen von Gebieten ausgewiesen oder zurückgewiesen werden, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde“.
Art. 80 AEUV legt für die Umsetzung der Asylpolitik der EU den Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, einschließlich in finanzieller Hinsicht, fest.
Die ihr übertragenen Kompetenzen hat die EU durch den Erlass zahlreicher asylrechtlicher Sekundärrechtsakte wahrgenommen und so für die Mitgliedstaaten Mindeststandards für die Durchführung von Asylverfahren sowie Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden festgelegt. Das GEAS umfasst im Wesentlichen drei Richtlinien (Qualifikations-, Asylverfahrens- und Aufnahmerichtlinie) sowie zwei Verordnungen (Eurodac- und Dublin-Verordnung).
Die Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) regelt die Anerkennung und Rechtsstellung von Personen, die internationalen Schutz benötigen.
Die Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) setzt die Mindestnormen für die Durchführung des Asylverfahrens fest, wie etwa einen Informations- und Beratungsanspruch, persönliche Anhörungs- und Rechtsberatungsrechte sowie die Anforderungen an die Prüfung und Entscheidungen. Ist das hier geregelte Asylverfahren eingeleitet, greift die Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU), welche die Mindeststandards für die Aufnahme von Personen während des Asylverfahrens enthält (menschenwürdige Unterbringung, Anspruch auf materielle Leistungen, medizinische Grundversorgung sowie Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten).
Die Dublin-III-Verordnung (VO (EU) Nr. 604/2013) regelt verbindlich und abschließend, welcher Staat für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig ist – dem wichtigen Grundsatz des GEAS folgend, dass kein Flüchtling das Recht hat, seinen Aufnahmestaat selbst zu wählen. In der Regel ist hiernach der Staat der Ersteinreise oder jedenfalls der Eurodac-Erstregistrierung zuständig.
Die Eurodac-Verordnung (VO (EU) Nr. 603/2013) regelt im für den Asylbereich relevanten Teil den Vergleich von Fingerabdrücken für die wirkungsvolle Anwendung des Dublin-Systems.
Diese Sekundärrechtsakte wurden planungsgemäß während der ersten Phase der Umsetzung des GEAS zwischen 1999 und 2004 erlassen und während der zweiten Harmonisierungsphase von 2008 bis 2013 geändert bzw. neugefasst. Die Europäische Kommission hatte anerkannt, dass die Mindestnormen tatsächlich nicht geeignet waren, den gewünschten Grad an Harmonisierung zwischen den Mitgliedstaaten herbeizuführen. Die Instrumente der ersten Phase wurden geändert, um eine stärkere Angleichung der Rechtsvorschriften sowie eine effektivere praktische Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Asylbehörden zu ermöglichen.
Dass sich die EU-Mitgliedstaaten jedoch nicht konsequent an das GEAS halten und dieses derzeit in der Praxis auch nach der zweiten Harmonisierungsphase nicht wie anvisiert funktioniert, ist offenkundig.
Obwohl allen Mitgliedstaaten dasselbe Sekundärrecht vorgegeben ist, gleicht die Anerkennungspraxis teilweise einem Roulettespiel. Messungen und Vergleiche der Gesamtschutzquoten ergeben gravierende Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Die Gesamtschutzquote stellt den Anteil aller Asylanerkennungen, Gewährungen von Flüchtlingsschutz (subsidiärer Schutz bzw. Flüchtlingseigenschaft) und Feststellungen eines Abschiebeverbotes innerhalb eines Zeitraums bezogen auf die Gesamtzahl der diesbezüglichen Entscheidungen im betreffenden Zeitraum dar. Während diese Quote beispielsweise in Ungarn bei 10 % liegt, beträgt sie in Italien bis zu 65 %. In Deutschland liegt sie bei 40 %.
Teilweise werden die gleichen Flüchtlingsgruppen bei Vortagen überwiegend identischer Fluchtursachen unter Anwendung derselben Qualifikationsrichtlinie mitgliedstaatabhängig völlig unterschiedlich behandelt. Beispielsweise wurden 2015 irakische Flüchtlinge, deren EU-weiter Anerkennungsdurchschnitt bei 54 % lag, von Griechenland nur zu 3 % anerkannt, während es in Italien 93 % waren.
Auch die EU-rechtlichen Vorgaben zu humanitären und sozialen Mindeststandards bei der Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge, die auf die Bearbeitung ihres Asylantrags warten, werden teilweise völlig unterschiedlich ausgelegt. Einige Aspekte sind eindeutig vorgeschrieben, während andere weniger eindeutig formuliert sind und viel Spielraum für Auslegung lassen. Dies führt zu gravierenden nationalen Unterschieden bei ihrer praktischen Anwendung.
Vorgegeben ist zum Beispiel die Sicherstellung von „menschenrechtskonformen Aufnahmebedingungen“ oder die Gewährung von "Leistungen, die einen angemessenen Lebensstandard" garantieren. Wie genau diese aussehen, bleibt jedem Land selbst überlassen. Gerade bei der Unterbringung von Asylsuchenden weichen die Standards zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander ab. Überfüllte Flüchtlingsheime ohne ausreichende Sanitäranlagen oder sogar Zeltlager sind in einigen Ländern keine Seltenheit.
Teilweise wird das GEAS von einzelnen Mitgliedstaaten schlichtweg unterlaufen. Denn vor allem im Anwendungsbereich der Dublin-III-Verordnung führt es zu Ungerechtigkeiten in der Verantwortungsverteilung zwischen den Mitgliedsstaaten und mitunter zur Nichteinhaltung der Aufnahmestandards. Durch der Eurodac-Verordnung widersprechende Nichtregistrierung oder sogar Unterstützung des Weitertransports wird die Dublin-Verordnung von den besonders betroffenen Südstaaten torpediert.
Auf der anderen Seite können Mitgliedsstaaten durch Ausübung eines Selbsteintrittsrechts (Art. 17 der Dublin-III-Verordnung) auf die Überstellung einer asylsuchenden Person in den zuständigen Staat verzichten und das Asylgesuch selbst bearbeiten, insbesondere aus humanitären Gründen oder in Härtefällen. Weitere Gründe für ein Aussetzen der Dublin-Verordnung können Zweifel an den Sozialstandards in anderen Mitgliedstaaten sein. So verzichtete Deutschland einige Zeit lang auf die Überstellung von Flüchtlinge nach Italien, weil dort keine angemessene Unterbringung gewährleistet wurde. Welche Gründe im Einzelnen zur Anwendung des Selbsteintrittsrechts Anlass geben, wird wiederum national beurteilt.
Auch die geregelten Ausnahmen vermögen jedoch nichts an der zwangsläufigen Folge der Dublin-Verordnung ändern, dass die an den EU-Außengrenzen liegenden Mitgliedstaaten mit besonders hohen Flüchtlingszahlen zu kämpfen haben. Seit 2015 wurde daher in unterschiedlicher Ausgestaltung immer wieder der Versuch unternommen, eine Quotenregelung für die Umverteilung von Flüchtlingen ins Leben zu rufen, um die am Mittelmeer liegenden Südstaaten zu entlasten. Die verbindliche Einführung einer solchen Regelung scheiterte indes am hartnäckigen Widerstand einiger Mitgliedstaaten.
Am 13. Mai 2015 stellte die Europäische Kommission die „Europäische Migrationsagenda“ vor, welche sowohl Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Krise am Mittelmeer als auch Maßnahmen zur besseren Steuerung der Migrationsströme in den kommenden Jahren enthielt. Ziele waren unter anderem die Verringerung der Anreize für eine illegale Einwanderung, verbesserter Grenzschutz, die Entwicklung einer stärkeren gemeinsamen Asylpolitik und die Einführung einer neuen Politik der legalen Migration durch Modernisierung und Überprüfung des Systems der Blauen Karte.
Mit der Agenda wurde auch die Idee eingeführt, EU-weite Umsiedlungs- und Neuansiedlungsmechanismen zu schaffen, der „Hotspot“-Ansatz angekündigt und eine mögliche GASP-Operation im Mittelmeer vorgeschlagen, um Schmugglernetzwerke zu zerschlagen und Menschenhandel zu unterbinden, die kurze Zeit später unter dem Namen „EUNAVFOR MED – Operation Sophia“ gestartet wurde.
Auf Grundlage dieser Agenda setzte die Kommission am 6. April 2016 einen Prozess für eine weitere größere Reform des GEAS in Gang. In ihrer Mitteilung „Reformierung des gemeinsamen europäischen Asylsystems und Erleichterung legaler Wege nach Europa“ wies sie auf die bedeutenden strukturellen Schwächen und Unzulänglichkeiten in der Konzeption und Anwendung des GEAS hin, die durch den massiven Zustrom von Asylbewerbern im Jahr 2015 deutlich geworden waren. Insbesondere sei laut Kommission eine Reform des Dublin-Systems erforderlich, um Asylanträge besser zwischen den Mitgliedstaaten aufzuteilen und eine zeitnahe Bearbeitung der Anträge zu gewährleisten. Denn bei der Dublin-Verordnung handelt es sich um das Kernelement des GEAS.
In ihrem ersten Paket von Gesetzgebungsvorschlägen zur Reform des GEAS vom 4. Mai 2016 schlug die Kommission einen sog. „korrigierenden Fairness-Mechanismus“ vor, der darauf abzielt, die Verantwortung für die Flüchtlinge zwischen den Mitgliedstaaten aufzuteilen und dabei die Kriterien der Einwohnerzahl und der Wirtschaftsstärke zu berücksichtigen.[1] Das Vorschlagspaket visierte des Weiteren eine Stärkung der Eurodac-Verordnung an, um die Wirksamkeit der EU-Datenbank mit Fingerabdruckdaten von Asylbewerbern zu erhöhen, sowie eine Stärkung des Mandats des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, um es in eine vollwertige EU-Asylagentur umzuwandeln und damit seine Mitwirkung an der Reform des GEAS zu erleichtern.
In ihrem zweiten Paket vom 13. Juli 2016 schlug die Kommission die Ersetzung der Asylverfahrensrichtlinie durch eine Verordnung vor, um ein vollkommen harmonisiertes EU-Verfahren zu schaffen und die Unterschiede bei den Anerkennungsquoten zwischen den Mitgliedstaaten zu verringern.[2] Darüber hinaus sei laut Kommission die Ersetzung der Anerkennungsrichtlinie durch eine Verordnung erforderlich, um die Schutzstandards und die Rechte der Asylsuchenden anzugleichen.
Nicht zuletzt seien zielgerichtete Änderungen der Aufnahmerichtlinie von Nöten, um Asylsuchenden harmonisierte Standards bezüglich Unterkunft, Zugang zum Arbeitsmarkt etc. zu bieten, dadurch ihre Grundrechts voll zu respektieren und illegaler Sekundärmigration innerhalb der EU vorzubeugen.
Mehr Konvergenz innerhalb des GEAS ist der Schlüssel zur Verantwortungsteilung. Die EU arbeitet nach wie vor an der Harmonisierung des GEAS, um die sog. „Flüchtlingskrise“ besser zu bewältigen. Basierend auf der Europäischen Migrationsagenda von 2015 und den beiden hierauf gegründeten Paketen von Legislativvorschlägen von 2016 wurde 2017 Schritt für Schritt in die Verhandlungsphase der Gesetzesinitiative des Parlaments und des Rat eingestiegen. Der Rat prüft derzeit die insgesamt sieben verschiedenen Gesetzesvorschläge der Kommission, um das Ziel der Einheitlichkeit voranzutreiben. Die Verhandlungen sind dabei zum gegenwärtigen Zeitpunkt unterschiedlich weit fortgeschritten.
Hinsichtlich der Ausgestaltung der neuen EU-Asylagentur (EUAA) haben Rat und Parlament bereits einen Konsens über alle zwölf Kapitel der geplanten Verordnung erzielt. Die Agentur soll die Arbeit der nationalen Asylbehörden harmonisieren und das Asylsystem insgesamt europäisieren. Dies könnte dazu beitragen, dass sich gleiche Beurteilungsmaßstäbe herausbilden, an denen sich die Behörden orientieren, so dass die Mitgliedstaaten künftig einheitlicher über Asylverfahren entscheiden. Mit der Annahme des Vorschlags wird jedoch gewartet werden, bis auch die Verhandlungen über die anderen Vorschläge des GEAS-Pakets vorangekommen sind.
Auch hinsichtlich der Aktualisierung der EURODAC-Datenbank haben die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament bereits zu einer weitgehenden politischen Einigung geführt. Offen sind nur noch die Bestimmungen, die mit anderen Instrumenten des GEAS-Pakets im Zusammenhang stehen.
Mitte 2018 wurde schließlich auch bezüglich der neuen Anerkennungsverordnung eine vorläufige Einigung erzielt. Während die Verhandlungen des Rates mit dem Parlament über den neuen EU-Neuansiedlungsrahmen und die Änderungen der Aufnahmerichtlinie bereits weit fortgeschritten sind, sind die Beratungen zum Entwurf der Vorschriften zum neuen Dublin-System noch im vollen Gange. Seinen Bericht zum Vorschlag der Kommission zur Änderung der Dublin-Verordnung, der vom Plenum als Mandat für die Aufnahme interinstitutioneller Verhandlungen bestätigt wurde, nahm der Parlamentsausschuss im Oktober 2017 an. Mit den Inhalten hat sich die Vollversammlung des Europäischen Parlaments bislang jedoch noch gar nicht befasst. Die Verhandlungen unter den Mitgliedstaten haben noch nicht einmal begonnen. Die Verordnung ist unter den Mitgliedstaaten höchst umstritten und es gibt noch keine gemeinsame Position. Es ist zu erwarten, dass das Votum des Innenausschusses in der jetzigen Form keine Zustimmung unter den Mitgliedstaaten finden wird.
Der Bericht zur neuen Asylverfahrensverordnung wurde Ende April 2018 vom Ausschluss des Parlaments angenommen und dient als Verhandlungsmandat.
Im Mai 2018 veröffentlichte die Kommission einen Fortschrittsbericht über die Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda, in dem sie die erzielten Fortschritte und die Defizite bei der Umsetzung der Agenda beleuchtete. Am 5. Juni 2018 verschafften sich die Minister/innen auf der Tagung des Rates "Justiz und Inneres" einen Überblick über die Fortschritte bei allen Dossiers im Bereich der Asylreform.
Valentin Radev, bulgarischer Innenminister, verkündete:
Heute haben wir eine offene Aussprache über grundlegende Aspekte der Asylreform geführt. Wir sind nicht mehr in der Krisensituation, die wir 2015 erlebt haben, doch müssen wir sicherstellen, dass wir bereit sind, etwaigen künftigen Krisen zu begegnen. Gestützt auf die bisherigen Arbeiten werden die Beratungen nun von den Staats- und Regierungschefs der EU fortgesetzt.
Bei der erfolgreichen Bewältigung der hohen Migrationszahlen steht die Europäische Union vor großen Herausforderungen. Nur ein einheitliches und solidarisches Handeln der Mitgliedstaaten kann die sich hieraus ergebenden Probleme lösen. Dafür ist es wiederum notwendig, Anerkennungs- und Aufnahmestandards anzugleichen, um die Sogwirkung in Länder mit großzügigen nationalen Gesetzen und einer ausgeprägten Willkommenskultur zu vermeiden.
Die Europäische Asylrechtsharmonisierung ist ein Prozess, der seit 30 Jahren abläuft, sich in verschiedenen Phasen vollzogen hat und mit den Vorschlägen von 2016 eine neue Stufe erreicht hat. Der Übergang von umsetzungsbedürftigen Richtlinien zu allgemeinverbindlichen Verordnungen ist im Zuge der Harmonisierung im Grunde der nächste logische Schritt. Denn er würde dazu führen, dass die Kompetenz der EU deutlich gestärkt würde und mitgliedstaatliche Abweichungs- und Gestaltungsmöglichkeiten verschwänden. Hierdurch könnte das GEAS endlich die gewünschte und dringend erforderliche Einheitlichkeit erfahren.
Es ist fraglich, ob sich die EU noch in der 2019 endenden Legislaturperiode auf eine umfassende Reform des GEAS einigen wird. Wie bereits angerissen befinden sich die Verhandlungen teilweise bereits auf einem durchaus erfolgsversprechenden Weg. Teilweise, insbesondere die neue Dublin-Verordnung betreffend, herrschen hingegen noch gravierende Uneinigkeiten. Die Gremien und Experten in Brüssel beschäftigen sich seit Jahren hoffnungsvoll mit der für alle Mitgliedstaaten derart wichtigen Thematik. Die verbindliche und endgültige Lösung einiger Kernbereiche scheint jedoch von außen betrachtet seit langem in einer Sackgasse zu stecken, was die Harmonisierung des gesamten GEAS aufhält. Insbesondere das Verständnis der ost- und südosteuropäischen Mitgliedstaaten der Union zum Thema Flüchtlingspolitik weicht grundlegend von dem der Kommission ab. Vor allem die einvernehmliche Regelung der Zuständigkeiten durch die Einführung eines Verteilsystems nach Quoten mit finanziellen Folgen bei deren Nichterfüllung wird von besagten Ländern blockiert. Dies kann von stark belasteten Mitgliedstaaten jedoch nicht akzeptiert werden.
Die fehlende innereuropäische Solidarität ist gewiss eines der Hauptprobleme des jetzigen GEAS und damit eine weitere große Herausforderung für die Zukunft. Es ist dringend an der Zeit, ein Asylsystem zu schaffen, das dem in den EU-Verträgen festgeschriebenen Grundsatz der Solidarität gerecht wird.
Wir blicken auf einen langen und schwierigen Weg und auch einige verzeichnete Erfolge hierauf zurück. Am Ziel sind wir jedoch noch nicht angelangt. Um einen Raum der Sicherheit und Solidarität zu schaffen, müssen weiterhin große Anstrengungen unternommen werden, um die geplanten Rechtsakte erfolgreich umzusetzen und sicherzustellen, dass das GEAS reibungslos funktioniert und einheitliche Voraussetzungen schafft. Die EU muss die innerstaatliche Anwendung des EU-Rechts fördern und überwachen, denn ansonsten hörte das Europarecht auf, den mitgliedstaatlichen Zusammenhalt auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens anzuleiten.
Erst wenn wir dieses Ziel erreicht haben werden, wird das GEAS tatsächlich ein einheitliches System sein – eine Errungenschaft, auf die wir stolz sein können.
[1] http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-1620_de.htm.
[2] http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-2433_de.htm.