Im Zuge seiner jährlichen Ansprache an die französischen Botschafter warnte Emmanuel Macron vor einem wachsenden Bedeutungsverlust der Europäischen Union. Macron gilt als wichtiger Verfechter der europäischen Idee. Seit seinem Amtsantritt ist es sein erklärtes Ziel, die europäische Zusammenarbeit zu intensivieren. In den letzten Jahren zeigte er sich als Vorreiter, wenn es darum ging, die bestehenden Strukturen zu stärken und die Erweiterung der europäischen Union voranzutreiben. Besonders Ideen zu institutionellen Reformen und neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit stammen aus seiner Feder.
Mahnend wies Macron auf die abnehmende Bedeutung der Europäischen Union in der Welt hin. Sinkende Bevölkerungszahlen, abnehmende Wirtschaftsleistung und Wohlstand zeichneten ein deutliches Bild vom anhaltenden Bedeutungsverlust der Gemeinschaft. Der Aufstieg Chinas, die anti-westlichen Tendenzen und der jüngst verstärkte Zusammenschluss der BRICS-Staaten seien zudem Herausforderungen, denen sich die EU ausgesetzt sehe.
Die internationale Ordnung werde so fortschreitend in Frage gestellt und durch eine Politik der Ressentiments zusätzlich gespeist. Man sehe sich einem "neu erfundenen oder fantasierten Antikolonialismus sowie einem teils instrumentalisierten Anti-Westismus gegenüber".
Macron will den genannten Herausforderungen durch eine Stärkung der Europäischen Union begegnen. Seine Vision ist nicht die von einem europäischen Einheitsstaat, wohl aber von einem geeinten, starken Europa. Solange es zu einer Stärkung der Geeintheit beitrage, müssten auch unterschiedlich schnelle Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten akzeptiert werden.
Es sei ein größeres Engagement der EU, innerhalb der NATO erforderlich. Die EU könne es sich nicht leisten, innerhalb des Verteidigungsbündnisses als Minderheit zu agieren. Sie müsse viel mehr aktiv zu einer Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie beitragen. Auf europäischer Ebene seien hierfür tiefgreifende Reformen notwendig, sowie das Bewusstsein für die Unterschiede der einzelnen Mitgliedstaaten.
Jedoch auch auf globaler Ebene sei ein Umdenken nötig. Das Feld innovativer internationaler Zusammenschlüsse dürfe nicht anderen Akteuren wie Brasilien, Indien und Südafrika überlassen werden. Auf europäischer Ebene bestünde vor diesem Hintergrund, nicht nur im Hinblick auf Erweiterungen, sondern insbesondere auch auf institutioneller Ebene Handlungsbedarf. Die Strukturen müssten integrativer gestaltet und die europäische Idee so gestärkt werden.
Macron verwies in seiner Rede selbst darauf, wie dringlich eine Stärkung der EU vor dem Hintergrund des Konflikts in der Ukraine notwendig sei. Ob sie allerdings auch eine Chance auf eine Umsetzung haben, wird die Zukunft zeigen müssen.
In jedem Fall wird deutlich: Durch den Ukraine Konflikt ist das Interesse der Unionsmitglieder zusammenzustehen und aus einer vereinigten Stärke heraus auf die gesamteuropäischen Bedrohungen zu reagieren, immens. Kurz gesagt: Der französische Präsident täte gut daran das von ihm ins Gespräch gebrachte Eisen zu schmieden, solange es noch heiß ist.
Zuversichtlich stimmt die rasche Umsetzung eines europäischen Forums, das wohl zu dem neuen Formaten zählt, von denen der Präsident in seiner Rede spricht. So wurde am 06. Oktober 2022 - nur wenige Monate nach Beginn des Ukraine Kriegs - mit der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) eine aus 44 europäischen Staaten bestehende transnationale Austauschplattform geschaffen. Die Initiative hierzu stammte ebenfalls vom französischen Präsidenten.
Ziel des Forums ist die Stärkung des Austausches und der Kooperation aller europäischen Staaten. Das Forum ist damit ganz unabhängig von einer bestehenden oder auch nur absehbaren EU-Mitgliedschaft. Die Kooperation soll dabei vor allem in wirtschaftspolitischen und sicherheitsrelevanten Fragen stattfinden.