Urteil des europäischen Gerichtshofs

Neue Entscheidung zu unionsrechtswidrigen Maßnahmen gegen Richter

01.08.2023

Nationale Gerichte sind verpflichtet, eine Maßnahme, mit der ein Richter unter Missachtung des Unionsrechts vom Dienst suspendiert wird, unangewendet zu lassen.

Mit Urteil vom 13. Juli 2023 entschied der Europäische Gerichtshof in den verbundenen Rechtssachen C-615/20 | YP u. a. und C-671/20 | M. M. Nach dessen Urteil müssen nationale Gerichte eine Maßnahme, mit der ein Richter unter Missachtung des Unionsrechts vom Dienst suspendiert wird, unangewendet lassen.

Zum Hintergrund: 

Am 18. November 2020 erließ die Disziplinarkammer des polnischen Obersten Gerichts einen Beschluss, der die Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen polnischen Richter, seine Suspendierung vom Dienst sowie die Kürzung seiner Bezüge für die Dauer der Suspendierung zur Folge hatte.  Gleichzeitig wurden die ursprünglich von diesem Richter behandelten Rechtssachen umfangreich anderen Spruchkörpern zugewiesen.

In dem Verfahren wurde die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Disziplinarkammer erneut in Zweifel gezogen.  Zudem galt es die Frage zu beantworten, ob das Unionsrecht von einem neu mit der Sache befassten Richter verlangt, den von der Disziplinarkammer erlassenen Beschluss unbeachtet zu lassen und so von der weiteren Prüfung der Rechtssache Abstand zu nehmen.

EuGH entscheidet im Kern zwei Konstellationen:

Zum einen muss der Richter seine Zuständigkeit in den Verfahren, mit denen er befasst ist, weiter ausüben können. Damit bestätigt der EuGH seine Rechtsprechung zur Unionsrechtswidrigkeit der polnischen Disziplinarkammerpraxis. 

Zum anderen muss ein aufgrund des Beschlusses der Disziplinarkammer neu befasster Spruchkörper von einer Entscheidung in dieser Rechtssache absehen. Die Justizbehörde ist verpflichtet, die Rechtssache erneut dem suspendierten Richter zuzuweisen. 

Wenngleich Polen die unionsrechtswidrige Disziplinarkammerpraxis politisch nicht abschafft, ermöglicht diese Rechtsprechung jedenfalls eine gewisse Blockade durch die polnische Judikative.

Die ganze Pressemitteilung des EuGH finden Sie: hier