Rückblick: Podiumsdiskussion im Kampnagel

Wie das Theater uns als Gesellschaft näher zusammenbringen könnte

04.12.2025

Am 26. November 2025 öffneten sich um 19 Uhr die roten Türen in den Saal K1 im Kampnagel zur ersten Veranstaltung in der Reihe „Demokratien unter Druck“ des Info-Point Europa und der Europa-Union Hamburg. Zur Frage „Kulturelle Konflikte im vereinten Europa: Was hält Europa kulturell zusammen und was treibt es auseinander?“ debattierten auf der Bühne unter der Moderation von Lars Becker (Europa-Union Hamburg)

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Bewährte Politstrategien der Bevölkerung überholt?

Mit dem Erstarken der rechten Ränder würde momentan ein Kapitelwechsel im öffentlich-politischen Diskurs eingeleitet, steigt Max Czollek ein. Die AfD als demokratieabschaffende Kraft sei, so Czollek, eine Gefahr, der man begegnen müsse. Doch bewährte Strategien der Partizipation, Sprachpolitik, performative Politik hätten auf juristischer Ebene keine Wirkung mehr. Wort und Tat würden immer mehr auseinanderfallen. Anders als noch die wirkungsmächtigen Civil-Rights-Demonstrationen in den USA in den 60er-Jahren seien in Deutschland die Brandmauer-Proteste vor der letzten Wahl wirkungslos geblieben, obwohl es die größte Demonstration in der Geschichte der Bundesrepublik war.


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Czollek lädt dazu ein, nun gesellschaftlichen Zusammenhalt neu zu denken. Ob man dabei immer zum Konsens finde, sei auf privater, parteiinterner, nationaler und europäischer Ebene nicht unbedingt entscheidend. Wichtiger sei es, sich überhaupt miteinander auseinanderzusetzen – dann auch mal gerne ehrlich im Dissens.

Die gesellschaftliche Mitte als Wurzel der Krise?

Gümüşay sieht eine noch größere Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in dem rassistischen Gedankengut, das in der politischen Mitte existiere. Die Entkopplung von Innen- und Außenpolitik, die mit der Aufrüstung einhergehende Entmenschlichung bestimmter Körper, bestimmter Menschen, der Eingriff in Grundrechte, zum Beispiel in die Versammlungsfreiheit, der Abbau des Sozialstaates – das alles seien Symptome einer Faschisierung. Die Grundlage dafür würden, so Gümüşay, die rassistischen und diskriminierenden Einstellungen bilden, die auch in den etablierten Parteien bestünden und perpetuiert würden. An der politischen Mitte müsse man anpacken, um die Faschisierung zu bekämpfen und eine Vermenschlichung wiederherzustellen. Ein Medium für diese Vermenschlichung sei Kultur.


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Kultur in der Vorbildfunktion?

Deuflhard konstatiert bedauernd, dass momentan die Welt des Theaters in Deutschland noch homogen weiß sei. Oft seien rassistische Vorurteile Grund dafür, dass der Zugang zur Kultur verwehrt wird. Deuflhard führt das auch auf das gesellschaftliche Erbe der deutschen Gastarbeiter*innenpolitik zurück. Das sei eine Verfehlung gewesen, die sich jetzt noch auswirke. Sie halte dennoch an ihrem Wunsch fest, dass das Theater auf der Bühne und im Publikum die Diversität unserer Gesellschaft spiegelt. Denn Repräsentation habe eine große Wirkung. Und eigentlich, sagt Deuflhard zwinkernd, sei das doch ganz einfach mit dem Zusammenhalt.

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Auch Gümüşay wünscht sich: Mut. Mut nicht zu schweigen, wenn es darauf ankommt. Mut, neue Realitäten zu schaffen, zum Beispiel im Theater, aber auch in Schulen, im Alltag. Reale Utopien voll Solidarität, Frieden, Gleichberechtigung. Dort könne politische Selbstwirksamkeit neu entstehen.