Portrait Luna Keller

A Sound of Europe

Lars Becker 25.05.2023

Am 27. Mai gastieren wir mit Sounds of Europe in der JazzHall am Harvestehuder Weg. Im Rahmen der Europawochen kooperieren Europa-Union, JEF-Hamburg und der Info-Point Europa mit der Hochschule für Musik und Theater.  Bei “Sounds of Europe” erwartet unsere Gäste ein buntes Programm aus Klassik, Jazz und Pop.

Anfang der Woche hat Bernd Wilkens Frank Spilker interviewt; heute möchten wir Ihnen Luna Keller vorstellen.


Luna Keller

Europa, das ist für Luna Keller ein Raum der Begegnung und ein Freiheitsversprechen; das für sie ihren Ausdruck insbesondere in der Freizügigkeit findet. Sie wuchs auf den kanarischen Inseln auf und machte dort auf einer Kunstschule mit jungen Menschen aus 42 verschiedenen Nationen Abitur. Letztes Jahr zog sie nach Deutschland. Ein wichtiger Grund: Deutschlands Mittellage auf dem Kontinent. Die Kanaren sind schön, aber für die reiselustige Musikerin war die Insellage auch ein Hindernis. Ohne Flug führt kein Weg von den Inseln. Teneriffa ist klein und es ist schwer dort von Musik zu leben, sofern man nicht dauerhaft als Mitglied einer Coverband in Hotellobbys spielen möchte.

Luna Kellers Ambitionen gehen darüber hinaus. Sie will ihre eigene Musik schreiben und mit Ihr ausdrücken, was sie bewegt. Worte finden, für Dinge, von denen sie meint, dass sie ohne Musik nicht so gut gesagt werden können. Und sie schreibt… Sehr viel. 500 Lieder in den letzten vier Jahren. Sie schreibt mehrmals die Woche; in manchen Wochen jeden Tag. Sie scherzt: „Quantity over quality”, um dann zu ergänzen, dass gute Musik nicht nur mit Talent geschaffen wird, sondern es viel Übung braucht. Sie zitiert Ed Sheeran, der das Liederschreiben mit einem alten Wasserhahn verglich: erst einmal aufdrehen und laufen lassen bis sauberes Wasser kommt.

Sie hat wenig Angst vor Fehlern oder Ecken und Kanten und improvisiert auf Konzerten regelmäßig Songs, in dem sie das Publikum bittet, ihr einige Begriffe zu nennen, die sie dann in der Improvisation aufgreift. Natürlich würde niemand erwarten, dass solche Einlagen zu überragenden Ergebnissen führen, aber die Sängerin und ihr Publikum haben Spaß dabei, auch und vielleicht insbesondere dann, wenn es gilt, den Begriff „Schuhanzieher” in einem Text unterzubringen. Ich bin gespannt, ob und wie sie beim kommenden Konzert den Schengenraum unterbringen wird.

Der Weg zur professionellen Musikerin

Die Liebe zur Musik hat sie von ihren Eltern. Mit ihrer Mutter sang sie mit 8 Jahren im Erwachsenenchor im Sopran, denn es gab keinen Kinderchor. Mit 14 fing sie an, regelmäßig Gitarre zu spielen, wollte aber Astrophysikerin werden. Ihr Vater hatte ein Teleskop. Mit diesem konnte sie die Ringe des Saturns sehen oder sie ließ sich von ihm den Orion zeigen. Das war alles so weit weg, so groß und wir so klein. Was gibt es da draußen? Wie weit geht das? Was bedeutet es, dass sich das Universum so weit ausdehnt? Sie besuchte begeistert das Starmus-Festival des Queen-Gitarristen und Astrophysikers Brian May. Sie entschied sich gegen die Mathematik und für die Musik; auch wenn sie sich das grundlegende Interesse bewahrt hat. Momentan liest sie Brief Answers to the big Questions von Stephen Hawking.

Die Themen ihrer Songs beschäftigen sich mit irdischen Themen; eigentlich durchweg mit Menschen und ihren Beziehungen. Zu sich selbst oder anderen. Auf die Frage, ob Kunst und Wissenschaft oder gar Religion etwas miteinander zu tun hätten, sagt sie, es ginge am Ende um dasselbe: um die Suche nach Sinn. Als ich sie darauf ansprach, ob sie sich schon einmal an politischeren Texten versucht habe, erfahre ich, dass sie zur Schulzeit bei Fridays for Future aktiv gewesen ist und hierfür Texte geschrieben hat. Ein Protestsong befindet sich in ihrer Sammlung: „While the World goes down we dance”. Diesen wolle sie noch aufnehmen, aber er passte bislang nicht so recht in bisherige Projekte. Derzeit arbeitet sie am nächsten Album „Ocean inside of me”, das eher autobiographische Züge haben werde. Sie hat den Eindruck, dass die Welt sich immer stärker polarisiert, „immer mehr Wir gegen Die” und das macht ihr Sorgen, weshalb sie lieber „etwas kreieren möchte, mit dem Menschen zusammenfinden”, auch wenn sie nicht grundsätzlich davor zurückscheue, in Zukunft auch mal etwas politischer zu werden.

Eigentlich wollte sie nach dem Abitur eine Musikhochschule besuchen; nahm sich ein Jahr Auszeit und entdeckte, dass sie von Ihrer Musik leben kann; auch weil sie stark gemeinschaftsorientiert arbeitet und sich früh ein Netzwerk aufbaute und auch die Möglichkeiten neuer Medien geschickt zu nutzen weiß. Aus einem Jahr wurden vier. Sie lebt heute primär von Konzerten, Hauskonzerten, Patreon und dem Streamingdienst Twitch. Aber ihre Musik ist auch auf Spotify zu finden und wurde bereits von Hallmark und Starbucks lizenziert. Zwar bringt Spotify kaum etwas ein – 28 Unterstützer auf der Plattform Patreon bringen mehr ein als 17.000 Streams im Monat – hilft ihr aber, bekannter zu werden und Türen zu öffnen.

Über ein Podcast-Projekt, das sie betreibt – „Why doesn’t everyone know these songs” – und Twitch kennt sie viele Musikerinnen und Musiker und betreibt regen Austausch. So hatte sie öfter zoom-Calls mit Musiker/innen, denen sie die Funktion von Twitch erklärte; andererseits profitierte sie vom Know-How Älterer, die 20 Jahre Erfahrung mit der Lizenzierung von Musik haben. Ohne die breite Community und vor allem die starke Unterstützung der Familie wäre der Start so nicht gelungen.

Europas Vielfalt in Freiheit erleben

Die unvermeidliche Frage danach, was ihre Identität stärker bestimme, ob das spanische Umfeld, in dem sie aufwuchs oder die deutsche Herkunft ihrer Eltern, sagt sie „beides”, und stellt dann fest, dass sie früher eher von spanisch-deutsch sprach und jetzt zunehmend öfter von deutsch-spanisch, auch wenn sie mit dem Karnevalsliedgut Teneriffas sehr viel vertrauter sei als mit dem des Kölner Karneval. Ihre Lieder schreibt sie fast immer auf Englisch und nicht in deutscher oder spanischer Sprache; weswegen die drei Monate Auslandsaufenthalt in Irland vielleicht ebenfalls nachhaltige Spuren hinterlassen haben. Klar ist, sie ist Europäerin. Luna Keller sagt: „Man muss sich nicht festlegen, man darf sich in verschiedenen Kulturen entdecken. Ein Teil dieser Freiheit ist, was ich an Europa so fantastisch finde.” – das wir von und miteinander lernen können und nicht festgelegt sind.

Sounds of Europe in der JazzHall

Wer Luna Kellers Song-Improvisationskünste live erleben will oder all die anderen tollen Künstlerinnen und Künstler hören möchte, die wir für die Veranstaltung gewinnen konnten: 27. Mai, 19:30 Uhr, JazzHall. Eintritt frei. Anmeldung erbeten. Nicht angemeldete Besucher/innen werden nach den angemeldeten Besucher/innen eingelassen und Sitzplätze nicht garantiert.

Alle Informationen finden Sie auf unserer Veranstaltungsseite.