EuGH: Eine Lanze für den Datenschutz

Sensible Daten: Prüfpflichten für Betreiber vor Veröffentlichung

08.12.2025

Der EuGH stellte klar: Online-Marktplatz-Betreiber sind verpflichtet vor Veröffentlichung einer Anzeige die Identität der inserierenden Person zu erheb und zu prüfen, ob diese diejenige ist, deren sensible Daten in der Anzeige enthalten sind.

Gerade im Netz schieben sich verschiedene Akteur:innen die Verantwortung für die zirkulierenden Daten gerne gegenseitig zu. Dabei verlieren oft die Verbraucher:innen. So auch zunächst im Fall einer Frau in Rumänien, die ihr Foto und ihre Handynummer in einem Inserat für sexuelle Dienstleistungen fand. Der EuGH stellt nun in seinem Urteil in der Sache C-492/23 klar: Betreiber von Online-Marktplatz-Webseiten sind nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verpflichtet, Anzeigen vor der Veröffentlichung auf sensible Daten zu prüfen, anonym Inserierende zu identifzieren und bei Diskrepanz der Identitäten von anzeigeaufgebender und anzeigebetreffender Person die Veröffentlichung zu unterbinden.


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Der Fall

Eine unbekannte Person veröffentlichte auf dem Online-Marktplatz www.publi24.ro anonym eine Anzeige für sexuelle Dienstleistungen. In dem Inserat war das Foto einer Frau und ihre Handynummer angegeben – gegen deren Willen. Auf Meldung der Frau löschte der Webseitenbetreiber die Anzeige. Doch es war zu spät, zwischenzeitlich war das Inserat im Umlauf und blieb es auch. 

Das Verfahren

Die Frau erhob gegen die rumänischen Webseite-Betreiber Russmedia Digital SRL und Inform Media Press SRL Schmerzensgeldklage aufgrund einer unrechtmäßigen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten sowie einer Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild, auf Schutz der Ehre und des Privatlebens. Während sie in Rumänien in erster Instanz Recht bekam, sprach die zweite Instanz Russmedia von der Verantwortung frei. Das rumänische Berufungsgericht wendete sich nun mit einer Auslegungsfrage zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Vorabentscheidungsverfahren an den EuGH.

Das Urteil

Der EuGH stellte in seinem Urteil fest: Der Webseiten-Betreiber ist nach der DSGVO in der Verantwortung. Auch wenn die Anzeige durch eine:n Nutzer:in platziert wird, so ist es der Online-Marktplatz-Betreiber, der sie im Internet veröffentlicht und dadurch anderen Nutzer:innen zugänglich macht.

Prüfpflicht vor Veröffentlichung

Online-Marktplatz-Betreiber sind daher verpflichtet, vor der Veröffentlichung Anzeigen zu identifizieren, die sensible Daten enthalten. Denn sensible Daten sind nach der DSGVO besonders schützenswert.

Artikel 9 DSGVO

(1)   Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

(2)   Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen: 

a) Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, es sei denn, nach Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten kann das Verbot nach Absatz 1 durch die Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden, 

[...].

Identitätszwang bei anonymen Inseraten

Bei Anzeigen mit sensiblen Daten, führt der Gerichtshof in seinem Urteil aus, müssen die Online-Marktplatz-Betreiber die Identität der inserierende Person erheben und prüfen, ob die inserierende Person die Person ist, deren sensible Daten in dieser Anzeige enthalten sind.

Verantwortung übernehmen

Stellt sich heraus, dass die inserierende Person nicht gleich die Person ist, deren Daten veröffentlicht werden sollen, ist in einem dritten Schritt der Betreiber verpflichtet, die Veröffentlichung zu verweigern, es sei denn, der inserierende Nutzer kann nachweisen, dass die betroffene Person ausdrücklich in die Veröffentlichung der fraglichen Daten auf diesem Online-Marktplatz eingewilligt hat. Denn es sei sehr wahrscheinlich, dass ein anonymes Inserieren von fremden sensiblen Daten zu einer schwerwiegenden Verletzung der in den Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte dieser Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten führen könnte, so der EuGH.

Werden sensible Daten online veröffentlicht, muss der Verantwortliche im Rahmen von Art. 32 DSGVO alle technischen und organisatorischen Maßnahmen treffen, um ein Sicherheitsniveau zu gewährleisten, das geeignet ist, den Verlust der Kontrolle über diese Daten wirksam zu verhindern. Insbesondere müssen die Maßnahmen die Kopie und Replikation des Online‑Inhalts blockieren können.

Auch die Haftungsbefreiungen der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dürfen den Schutz der DSGVO nicht unterlaufen, stellt der EuGH fest.

Fazit

Wenn auch fraglich ist, wie sich die Umsetzung dieser neuen Verpflichtung von Webseiten-Betreibern gestaltet, hat der EuGH mit diesem Urteil einen dringend notwendigen Schritt in die richtige Richtung gewagt: weg vom Internet als rechtsfreien Raum.