Deutschland zögert bei EU-Lieferketten-Richtlinie

Erneut keine Mehrheit im Rat der Europäischen Union

29.02.2024

Die Zukunft der geplanten EU-Lieferketten-Richtlinie bleibt nach der neuesten Abstimmung im Rat der Europäischen Union ungewiss. Deutschland stimmt weiterhin gegen das Vorhaben, da die befürchteten bürokratischen Hürden für die Wirtschaft zu hoch erscheinen.

Ursprünglich sollte bereits vor zweieinhalb Wochen über das EU-Lieferkettengesetz abgestimmt werden. Jedoch wurde die Abstimmung vom Rat kurzfristig auf unbestimmte Zeit verschoben. Diese Woche fand schließlich die erneute Abstimmung statt, mit dem Ergebnis, dass immer noch keine ausreichende Mehrheit unter den Mitgliedstaaten erreicht wurde, wie die belgische Ratspräsidentschaft bekannt gab.

Die Diskussion über das weitere Vorgehen ist nun eröffnet. Es wird darüber nachgedacht, ob die von den Mitgliedstaaten geäußerten Bedenken in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament ausgeräumt werden können. Es bleibt offen, ob das Vorhaben erneut verhandelt werden muss, obwohl es bereits im Dezember einen Kompromiss zwischen den Unterhändlern der beiden Institutionen gab.

Bundesregierung uneins 

Die geplante Richtlinie sieht vor, dass große Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Zudem müssen größere Unternehmen einen Plan entwickeln, um sicherzustellen, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind.

Deutschland enthielt sich wie angekündigt bei der Abstimmung im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten, was in diesem Gremium einem „Nein“ gleichkommt. Die FDP drängte in der Bundesregierung darauf, dass Deutschland dem Vorhaben nicht zustimmt, während SPD und Grünen das Vorhaben befürworteten. Die Liberalen befürchten insbesondere, dass Unternehmen aufgrund der Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa abwandern könnten.

In einigen Mitgliedsstaaten exisitieren bereis Lieferkettengesetze

Ob diese Sorge berechtig ist, ist unter Expert*innen umstritten. Grundsätzlich würden die meisten deutschen Unternehmen eine Europaweite Regelung begrüßen. Zum einen würde so ein einheitlicher Standard gelten, der faire Wettbewerbsbedingungen schafft. Zum anderen existieren bereits in einigen Ländern – auch in Deutschland – Lieferkettengesetze. Andere Länder haben angekündigt entsprechende nationale Gesetzte nachzuliefern, sollte die Einigung auf EU-Ebene scheitern. Hierdurch würde sich der Aufwand für Unternehmen letztlich erhöhen, weil sie bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten die jeweils national geltenden Vorschriften prüfen und müssten.

Insbesondere bezüglich der Haftung würde das geplante EU-Gesetz über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen, bei dem eine Haftung bei Verstößen ausgeschlossen ist. Diese Haftung wird jedoch dadurch entschärft, dass sich die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten an der Leistungsfähigkeit, also letztlich der Größe des Unternehmens orientieren. Auch hierdurch werden kleine und mittelständige Unternehmen daher keinem unberechenbaren Haftungsrisiko ausgesetzt werden. Vielmehr würde ein einheitlicher Haftungsstandard hergestellt, sodass Unternehmen ihre Haftungsrisiken nicht mehr aufgrund verschiedener Rechtsordnungen in verschiedenen Sprachen bewerten müssten.

Unabhängig von der Frage, ob einzelne Punkte des Gesetzes noch zu überarbeiten sind, wächst in ganz Europa die Kritik an der FDP, die als Mitglied der Bundesregierung durchgehend an den Verhandlungen zu dem Gesetz beteiligt war und im Dezember bereits dem genannten Kompromiss zwischen den Unterhändlern zugestimmt hatte. Durch den plötzlichen Rückzug Deutschlands hatten dann jedoch auch andere Länder, die noch unentschlossen waren, ihre Zustimmung verweigert.

Im Sinne der Einführung einheitlicher Standards für Menschenrechte und Umwelt innerhalb und außerhalb Europas bleibt zu hoffen, dass sich die Mitgliedsstaaten doch noch auf einen Kompromiss einigen können. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht abzusehen.