Gemeinsame Erklärung vor der Zusammenkunft des Europäischen Rates

Europa-Union, Pulse of Europe, JEF und Alliance4Europe fordern: dem Koalitionsvertrag treu bleiben!

16.07.2022

Vor der Tagung des Europäischen Rats am 23./24. Juni appellieren Pulse of Europe, Europa-Union Deutschland, JEF Deutschland und Alliance4Europe an die deutsche Bundesregierung, an ihren im Koalitionsvertrag festgeschrieben europapolitischen Zielen festzuhalten. Erklärtes Ziel der Bundesregierung war die Einberufung eines Europäischen Konvents mit dem Ziel, Vertragsreformen herbeizuführen, die geeignet sind, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu erhöhen und insbesondere die aus dem Einstimmigkeitsprinzip resultierenden Probleme anzugehen. Lesen Sie hier die Erklärung im Wortlaut.

Gemeinsame Erklärung von Pulse of Europe, Europa-Union Deutschland, Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland und Alliance4Europe vor der Zusammenkunft des Europäischen Rats am 23./24. Juni 2022

Wir beobachten mit Sorge, dass die deutsche Bundesregierung von ihren im Koalitionsvertrag festgeschriebenen europapolitischen Zielen abzurücken droht. Erklärtes Ziel der Bundesregierung war die Einberufung eines Europäischen Konvents mit dem Ziel, Vertragsreformen herbeizuführen, die geeignet sind, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu erhöhen und insbesondere die aus dem Einstimmigkeitsprinzip resultierenden Probleme anzugehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte erst kürzlich, für EU-Vertragsreformen grundsätzlich offen zu sein. In dieser Woche hingegen äußerten sich Mitglieder der Bundesregierung, darunter Außenministerin Annalena Baerbock, dahingehend, dass ein verfassungsgebender Konvent nach Art. 48 EU-Vertrag nicht das richtige Mittel zur jetzigen Zeit sei und stattdessen die sogenannte Passerelle-Klausel genutzt werden könne, um Einstimmigkeitserfordernisse zu reduzieren.

Hierzu stellen wir fest:

  1. Für Regierungen ist es immer die „falsche Zeit für Vertragsreformen“. 2012 war es die „noch nicht bewältigte Eurokrise“, 2015 die „Flüchtlingskrise“ und nun offenbar der russische Angriffskrieg. Auch der ungarische Staatschef Viktor Orbán, der informell gerne als Hindernis für grundlegende EU-Reformen genannt wird, ist bereits seit 2010 an der Macht und hat gute Chancen, seine Herrschaft längerfristig zu konsolidieren. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass es immer irgendwo Akteure gibt und geben wird, die zu blockieren versuchen. In der Vergangenheit waren gerade Krisen der Motor für weitere Integrationsschritte.
     
  2. Die Anwendung der Passerelle-Klausel erfordert – ebenso wie Vertragsänderungen durch einen Konvent nach Art. 48 EU-Vertrag – Einstimmigkeit. Warum Widerstände einzelner Regierungschefs außerhalb des Konvents ein geringeres Problem sein sollen als innerhalb eines Konvents, ist schwer erklärlich. Vielmehr ist es doch so: Im Rahmen eines Konvents können „Pakete geschnürt“ werden, die es vielleicht eher ermöglichen, bestimmte Reformen durch- und umzusetzen, zumal das erhöhte Maß an öffentlicher Beobachtung auch den Diskurs selbst verändern würde.

Wir erwarten deshalb von der deutschen Bundesregierung, dass sie an ihren selbstgesetzten Zielen festhält und sich für notwendige Vertragsreformen einsetzt, die zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union erhöhen und auch die Aufnahmefähigkeit für weitere Mitgliedsstaaten sicherstellen.