Im polnischen Präsidentschaftsrennen kam es am 18. Mai, nach keiner absoluten Mehrheit im ersten Wahldurchgang, zur engen Stichwahl. Am 1. Juni setzte sich Karol Nawrocki durch. Der Historiker ist formal parteilos, wurde aber stark unterstützt von der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Er entschied die Stichwahl mit 50,9 % gegen den pro-europäischen Rafał Trzaskowski (49,1 %) für sich. Damit endet die Ära des Präsidenten Andrzej Duda.
Der Wahlsieg von Nawrocki signalisiert eine Fortsetzung des Konfrontationskurses gegenüber dem pro-europäischen Kurs unter Premier Tusk. Dieser stellte am 11. Juni die Vertrauensfrage, um die Loyalität seiner Koalitionspartner zu überprüfen. Insgesamt stimmten 453 Abgeordnete ab: 243 gaben ihre Stimme für und 210 gegen die Regierung von Premierminister Tusk ab.
Hintergrund der Vertrauensabstimmung ist die Sorge, dass Nawrocki, ähnlich wie sein Vorgänger Duda, zentrale Reformvorhaben der Regierung ablehnen könnte und die Unterstützung für Donald Tusk unter den Abgeordneten verloren sein könnte. Der polnische Präsident verfügt über ein Vetorecht bei Gesetzesvorhaben. Zwar kann ein solches Veto mit einer 60-Prozent-Mehrheit im Parlament überstimmt werden, doch die derzeitige Regierungskoalition hält mit 242 von 460 Sitzen lediglich rund 53 % – nicht ausreichend, um ein Veto eigenständig aufzuheben.
Für die EU ist der Ausgang der Wahl von großer Bedeutung: Als Präsident besitzt Nawrocki Vetorechte bei Gesetzesvorhaben und bei Ernennungen diplomatischer Vertreter:innen. Politolog:innen gehen davon aus, dass er künftig eher EU-skeptische Positionen vertreten wird. Das könnte künftig die Zusammenarbeit in zentralen EU-Themen erschweren – etwa in der Frage von Reformen, Rechtsstaatlichkeit und Kooperation in der Außen- und Sicherheitspolitik.
Zudem könnte sich Polens Verhältnis zur Ukraine verändern: Nawrocki äußerte im Wahlkampf öffentliche Zweifel an der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Europaweit wird sein Wahlsieg als Warnsignal gesehen – unter anderem, weil in vielen Staaten ähnliche nationalistisch-populistische Strömungen an Stärke gewinnen. Die EU steht damit vor der Aufgabe, den Spagat zwischen innerer Kohärenz und Respekt vor nationalen Entwicklungen zu meistern.